In einem Krimi würde man sagen: "Naja, das ist jetzt doch ein wenig dick aufgetragen." Denn das Datum, an dem das EU-Lieferkettengesetz endgültig vom EU-Parlament verabschiedet wurde, hätte historischer nicht sein können. Auf den Tag genau elf Jahre nach der Rana Plaza-Katastrophe, die einen absoluten Tiefpunkt unternehmerischer Verantwortung markiert, stimmt das EU-Parlament für mehr menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in Lieferketten.
Die Verabschiedung des Gesetzes ist auch ein großer Erfolg der Zivilgesellschaft, die gegen den Druck von einflussreichen Lobbyist*innen immer auf Kurs geblieben ist. Das Gesetz hat zwar Schwächen (siehe unsere Analyse des Kompromisses) – aber es ist trotzdem ein wichtiger Schritt hin zum Ziel, dass Regierungen und Unternehmen endlich zur Wahrung von Arbeits- und Menschenrechten verpflichtet werden.
Am Ende eines solch langen Prozesses lohnt es sich neben dem Großen und Ganzen auch auf ein paar ganz spezielle Erfolge zu schauen:
- Unternehmen sind durch das Gesetz rechtlich dazu verpflichtet, die im Rahmen ihrer Tätigkeit entstehenden negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt zu verhindern, zu minimieren und zu beenden.
- Außerdem erkennt es an, dass die Opfer solcher Auswirkungen das Recht haben, vor EU-Gerichten Schadenersatz zu verlangen.
- Es erkennt existenzsichernde Löhne als Menschenrecht an, das heißt, Unternehmen müssen diese zukünftig in ihrem Handeln berücksichtigen.
- Unternehmen müssen sich mit den Auswirkungen ihrer Einkaufspraktiken auseinandersetzen.
- Eine weitere wichtige Verbesserung ist, dass der Rückzug von Unternehmen von Lieferbeziehungen aufgrund des Gesetzes (so genanntes „cut and run“) nur das letzte Mittel sein darf.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach dem Votum im EU-Parlament muss das Lieferkettengesetz nun noch einmal formal im Rat bestätigt werden, bevor es dann offiziell unterschrieben und im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden kann. Das sollte alles in den nächsten Monaten noch passieren und wird von den meisten als reine Formalität angesehen. Wir können also optimistisch sein, dass der nun gefundene Kompromiss dann in die zweijährige Übergangszeit geht, in der die Mitgliedstaaten Zeit haben, diesen in nationales Gesetz zu überführen. Für Deutschland bedeutet das, in dieser Zeit auch Nachschärfungen beim deutschen Lieferkettengesetz vorzunehmen.
Die Begleitung dieser Übergangsphase wird weiterhin wichtig sein, denn die schlechte Nachricht ist: Wir müssen weiter dran bleiben, denn nun geht es darum, dass auch die Umsetzung des Gesetzes gelingt. Da die Kritiker*innen sich bereits in Stellung gebracht haben, braucht es weiter eine starke zivilgesellschaftliche Stimme in dieser Sache.