Fair Trade steht nicht nur für den Einkauf von fairen Produkten, sondern auch für eine globale politische Bewegung, die für mehr Gerechtigkeit im Handel eintritt. Was sonst noch hinter dem Begriff "Fairer Handel" steckt, erklären wir in diesem Video.
Was ist Fairer Handel?
Seit mehr als 50 Jahren kämpft der Faire Handel gegen die Ungerechtigkeiten im Welthandel – in Deutschland und weltweit. Hierzulande sind schätzungsweise 100.000 Menschen in der Fair-Handels-Bewegung aktiv. Das macht sie zu einer der größten entwicklungspolitischen Bewegungen in Deutschland. Wo kommt der Faire Handel eigentlich her? Was sind seine Ziele? Welche unterschiedlichen Ansätze gibt es? Und wie erkennt man eigentlich fair gehandelte Produkte?
Fairer Handel – warum eigentlich?
Der Welthandel ist ungerecht. Während einige Wenige vom wachsenden globalen Reichtum profitieren, haben Andere kaum eine Chance, ihre Lebensumstände zu verbessern. Gerade die Menschen am Anfang der Lieferketten gehören häufig zu den „Verlierer*innen“ der Globalisierung und des weltweiten Profitstrebens. Ob Textilarbeiter*innen in Bangladesch, Kaffeebäuer*innen in Honduras oder Milchbäuer*innen in Deutschland – gerade diejenigen, die die Produkte unseres Alltags anbauen und herstellen, leiden unter niedrigen Weltmarktpreisen, prekären Arbeitsbedingungen und Ausbeutung.
Der Faire Handel will diese ungerechten Handelsbedingungen ändern – indem er selbst eine Alternative anbietet, aber auch durch politische und Bildungsarbeit.
50 Jahre Fairer Handel – Wie alles begann
Vor ungefähr 50 Jahren fing alles an: 1970 nahmen etwa 30.000 Menschen bundesweit an den so genannten „Hungermärschen“ teil, die von den konfessionellen Jugendverbänden organisiert wurden. Ihr Protest richtete sich gegen die wachsende Benachteiligung von Produzent*innen aus dem Globalen Süden am Weltmarkt. Unter dem Motto „Lernen durch Handeln“ wurde die „Aktion Dritte Welt Handel“ gegründet, mit dem Ziel, politische Bewusstseinsbildung zu betreiben. Darüber hinaus boten immer mehr Aktions- und Weltgruppen fair gehandelte Produkte an. Gleichzeitig gründeten sich die ersten Fair-Handels-Unternehmen – zu den Pionieren gehörten die FFH-Mitglieder GEPA, GLOBO und El Puente. Mit der Gründung von TransFair (Fairtrade Deutschland) und der Ausweitung des Vertriebs auf Supermärkte, Bio- und Naturkostläden gelang der Faire Handel ab den 90er Jahren in den Mainstream-Handel.
Heutzutage werden fair gehandelte Produkte an über 60.000 Orten in Deutschland angeboten. 2022 wurden in Deutschland faire Produkte im Wert von 2,18 Milliarden Euro verkauft. Doch der Faire Handel ist mehr als ein reiner Handel mit Produkten: Mehr als 100.000 Menschen engagieren sich innerhalb der Fair-Handels-Bewegung in Deutschland, sorgen für ein besseres Bewusstsein für den ungerechten Welthandel und protestieren für bessere politische Rahmenbedingungen für Produzent*innen weltweit.
Fairer Handel – eine Definition
Im Laufe der Jahre haben sich unterschiedliche Ansätze des Fairen Handels entwickelt. Eins haben sie aber gemeinsam: Sie wollen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen am Anfang der Lieferkette verbessern und ihre politische und wirtschaftliche Position stärken. Ihre Grundsätze und Werte haben die Fair-Handels-Akteure in der Internationalen Charta des Fairen Handels (Download) festgelegt. 2018 wurde sie von den beiden Internationalen Dachorganisationen des Fairen Handels, der World Fair Trade Organization und Fairtrade International unter Mitarbeit weiterer Akteure des Fairen Handels überarbeitet.
Bereits vor 20 Jahren, im Jahr 2001, haben sich vier weitere internationale Dachorganisationen (FLO, IFAT, NEWS! Und EFTA) auf eine gemeinsame Definition des Fairen Handels geeinigt:
Der Faire Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzent*innen und Arbeiter*innen – insbesondere in den Ländern des Südens – leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Fair-Handels-Organisationen engagieren sich (gemeinsam mit Verbraucher*innen) für die Unterstützung der Produzent*innen, die Bewusstseinsbildung sowie die Kampagnenarbeit zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels.
Mehr als Politik mit dem Einkaufskorb – Die drei Säulen des Fairen Handels
Der Faire Handel beschränkt sich nicht nur auf den Verkauf von Fair Trade-Produkten. Seit seinen Anfängen gehört auch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu seinen tragenden Säulen – zum Beispiel mit Aktionstagen wie der Fairen Woche, die seit 20 Jahren jedes Jahr im September stattfindet. Eine dritte Säule bildet die politische Arbeit. Im Dialog mit Politik und Wirtschaft sowie weiteren zivilgesellschaftlichen Bewegungen will die Fair-Handels-Bewegung die Regeln des Welthandels zugunsten der benachteiligten Menschen an den Anfängen der Lieferketten ändern.
Die drei Säulen des Fairen Handels
Der Mensch im Mittelpunkt – Kriterien und Schwerpunkte des Fairen Handels
In der Internationalen Charta des Fairen Handels (Download), dem wichtigen Grundsatzdokument der Internationalen Fair-Handels-Bewegung, sind die wichtigsten Kriterien und Schwerpunkte des Fairen Handels dargelegt.
Bei all diesen Kriterien steht der Mensch im Mittelpunkt:
Der Faire Handel ...
- schafft Marktzugang für benachteiligte Produzent*innen
- unterhält langfristige, transparente und partnerschaftliche Handelsbeziehungen und schließt unfairen Zwischenhandel aus
- zahlt den Produzent*innen faire Preise, die ihre Produktions- und Lebenshaltungskosten decken, und leistet auf Wunsch Vorfinanzierung
- stärkt die Position und sichert die Rechte von Arbeiter*innen und Kleinbäuer*innen sowie ihrer Organisationen im Süden
- trägt zur Qualifizierung von Produzent*innen und Handelspartnern im Süden bei
- gewährleistet bei der Produktion die Einhaltung der acht ILO-Kernarbeitsnormen
- sichert die Rechte von Kindern und fördert die Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen
- fördert den Umwelt- und Klimaschutz, z.B. in Form der Umstellung auf biologische Landwirtschaft
- leistet Bildungs- und politische Kampagnenarbeit, um die Regeln des Welthandels gerechter zu gestalten
- stellt durch Überprüfungsmechanismen sicher, dass diese Kriterien eingehalten werden
Die 10 Prinzipien des Fairen Handels
Diese Kriterien spiegeln sich auch in den 10 Prinzipien des Fairen Handels. Diese von der World Fair Trade Organization (WFTO) definierten Grundsätze müssen Fair-Handels-Organisationen in ihrer praktischen Arbeit umsetzen. Im Rahmen ihres Garantie-Systems stellt die WFTO sicher, dass ihre Mitglieder dies auch tun.
Weitere Informationen zu diesem Monitoring-System erhalten Sie hier.
Wie arbeitet der Faire Handel?
Am Anfang der Kette stehen Kleinproduzent*innen und Arbeiter*innen, vornehmlich im Globalen Süden. Um die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen geht es im Fairen Handel. Importeure kaufen zu fairen Bedingungen die Produkte von den Produzent*innen bzw. von ihren Vermarktungsorganisationen. Dabei handelt es sich entweder um Fair-Handels-Unternehmen, die ausschließlich im Fairen Handel aktiv sind, oder um konventionelle Unternehmen, die einzelne fair gehandelte Produkte anbieten und dabei die Standards der anerkannten Siegelorganisationen beachten. Der Vertrieb in Deutschland erfolgt über Weltläden, über den konventionellen und Bio-Einzelhandel, über Online-Shops und in zunehmendem Maße auch über die Gastronomie.
Die wichtigsten Akteure des Fairen Handels im Überblick
Der Faire Handel ermöglicht es insbesondere den im Welthandel benachteiligten Kleinbäuer*innen, unter fairen Bedingungen am Marktgeschehen teilzunehmen. Sie schließen sich in der Regel in Genossenschaften zusammen, wo sie an allen wichtigen Entscheidungen demokratisch beteiligt sind.
Bei Produkten, die zumeist von Plantagen stammen, wie Tee, Orangen, Blumen oder Bananen sowie bei weiterverarbeiteten Produkten, wie beispielsweise Sportbällen, profitieren insbesondere die abhängig beschäftigten Arbeiter*innen vom Fairen Handel. Die Betriebe und Plantagenbesitzer*innen verpflichten sich zur Einhaltung von sozialen und ökologischen Mindeststandards.
Im Handwerksbereich arbeiten meist Kleinunternehmer*innen oder Nichtregierungsorganisationen mit Produzentengruppen zusammen und organisieren die Vermarktung sowie den Export der Produkte.
Darüber hinaus sind in den letzten Jahren immer mehr Produzentengruppen aus dem Globalen Norden – vor allem aus Europa – hinzugekommen. Ein Beispiel ist die Molkereigenossenschaft Berchtesgadener Land, die fair gehandelte Milch und Milchprodukte vertreibt.
Fair-Handels-Unternehmen sind Unternehmen, deren Firmenpolitik ganzheitlich auf Fairen Handel ausgerichtet ist, d.h., sie verkaufen ausschließlich fair gehandelte Produkte. Einige blicken auf jahrzehntelange Erfahrungen zurück und gehören zu den Pionieren im Fairen Handel.
Fair-Handels-Unternehmen pflegen meistens direkte partnerschaftliche Beziehungen zu ihren Handelspartnern, wozu auch gegenseitige Besuche gehören. So können sie ihre Handelspartner individuell beraten, unterstützen und entwickeln gemeinsam mit ihnen Projekte und Strategien zur Überwindung von Entwicklungshemmnissen. Fair-Handels-Unternehmen halten dabei nicht nur internationale Standards des Fairen Handels ein, sondern haben für sich teilweise noch weitere Kriterien aufgestellt. Darüber hinaus setzen sie sich für eine grundsätzliche Veränderung der Regeln des Welthandels ein und leisten Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Zu den größten Fair-Handels-Unternehmen in Deutschland zählen GEPA, El Puente und WeltPartner. Einige der Fair-Handels-Unternehmen sind Mitglied im Forum Fairer Handel.
Fair-Handels-Siegel kennzeichnen Produkte, die nach Fair-Handels-Kriterien nach Deutschland importiert wurden. Sie können auch von Unternehmen genutzt werden, die nur ein Teil ihrer Produkte aus Fairem Handel anbieten. Die Einhaltung der Kriterien überprüft die jeweilige Siegelorganisation. Zu den vom Forum Fairer Handel anerkannten Siegeln gehören Fairtrade, Naturland Fair, SPP und Fair for Life.
Weltläden sind die Fachgeschäfte des Fairen Handels. Sie bieten ausschließlich fair gehandelte Produkte an. Inzwischen gibt es in Deutschland rund 900 Weltläden – viele von ihnen sind Mitglieder beim Weltladen-Dachverband.
Neben dem Verkauf von Produkten sind Weltläden auch in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit aktiv.
Zu den wichtigsten internationalen Dachorganisationen des Fairen Handels gehören die World Fair Trade Organization (WFTO) und Fairtrade International.
Die WFTO ist eine Gemeinschaft von über 400 sozialen Unternehmen und Organisationen in über 75 Ländern, die sich zu 100 % dem Fairen Handel verschrieben haben. Mit Ausnahme des Transportbereichs bilden die WFTO-Mitglieder die gesamte Lieferkette der Produkte von den Produzent*innen bis zu den Konsument*innen ab. Fair-Handels-Unternehmen, die Mitglied bei der WFTO sind, dürfen das Label der WFTO auf ihren Produkten abbilden.
Fairtrade International (FI) legt die Standards für das Fairtrade-Siegel fest, das in Deutschland von dem Verein TransFair vergeben wird. Mitglieder von FI sind die verschiedenen nationalen Fairtrade-Organisationen, sowie die Produzentennetzwerke aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Sie werden gleichberechtigt in alle Entscheidungen einbezogen.
Das Fair Trade Advocacy Office (FTAO) ist eine wichtige Plattform des Fairen Handels für den Austausch mit europäischen Partnern und politischen Entscheidungsträger*innen auf EU-Ebene. Denn viele für den Fairen Handel relevante Politikfelder, wie Landwirtschaft und Handelspolitik, werden innerhalb der EU verhandelt.
Fair gehandelte Produkte erkennen
Der Begriff "fair" ist rechtlich nicht geschützt. Dementsprechend gibt es eine Vielzahl an Zeichen, Labeln und Siegeln, die von sich behaupten, für Fairen Handel zu stehen. Aber nur diejenigen, die glaubhaft nachweisen können, dass sie sich auch wirklich an die international anerkannten Kriterien des Fairen Handels halten, gehören dazu.
Das Forum Fairer Handel überprüft regelmäßig die in Deutschland verfügbaren Zeichen, Label und Siegel auf deren Glaubwürdigkeit. Eine wichtige Voraussetzung ist, neben der Einhaltung der internationalen Fair-Handels-Kriterien, die externe Kontrolle.
Erkennungszeichen des Fairen Handels
Produkte aus Fairem Handel erkennen Sie an den Marken der anerkannten Fair-Handels-Unternehmen, am Label der World Fair Trade Organization (WFTO) sowie an den anerkannten Fair-Handels-Siegeln. Damit ein Fair-Handels-Unternehmen anerkannt werden kann, muss es entweder Mitglied in der World Fair Trade Organization oder in den Lieferantenkatalog des Weltladen-Dachverband aufgenommen sein.
Sie wollen mit Ihrem Einkauf zu einer gerechteren Welt beitragen, wissen aber nicht, wie? Fällt es Ihnen schwer, bei der Vielzahl an Zeichen und Siegeln den Überblick zu behalten? Wir erklären, wie Sie fair gehandelte Produkte erkennen können.
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