Symbolbild Kontrollsysteme im Fairen Handel

Kontrollsysteme im Fairen Handel

Warum brauchen wir Kontrollsysteme im Fairen Handel?

Seit 50 Jahren steht der Faire Handel dafür ein, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen am Anfang der Lieferketten zu verbessern. Ziel ist es, Menschen vor Profite zu stellen. Viele Handelsbeziehungen im Fairen Handel funktionieren nur so gut, weil sie vertrauensvoll und in einem Dialog zwischen Partnern aufgebaut wurden.

Aber: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Deshalb hat der Faire Handel im Laufe der Jahre verschiedene verlässliche Kontrollsysteme – so genannte Monitoring- und Zertifizierungs-Systeme – entwickelt. Strikte Standards für Produktion und Handel schützen Menschenrechte und Umwelt. Eine externe Überprüfung sorgt für Sicherheit und Transparenz und ermöglicht es Kund*innen, mehr als nur einem Versprechen Vertrauen zu schenken.

Jonas Lorenz
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Jonas Lorenz
Fairer Handel vs. Nachhaltigkeitssiegel

Auf dem deutschen Markt gibt es viele Labels und Siegel, die Nachhaltigkeit versprechen. Die Bandbreite reicht von unternehmenseigenen Programmen, wie "Cocoa Life" von Mondelez International, bis hin zu Nachhhaltigkeitssiegeln wie Rainforest Alliance. Hinsichtlich ihrer Ausrichtung, der Transparenz und der Qualität der Kontrollmechanismen unterscheiden sich diese Zeichen zum Teil erheblich. 

Diese sogenannten "Nachhaltigkeitssiegel" haben einen anderen Fokus als der Faire Handel: Für sie stehen Umweltaspekte im Mittelpunkt, während der Faire Handel Mensch und Umwelt zusammen denkt. Das hat zur Folge, dass der Faire Handel insbesondere im Bereich der ökonomischen Standards, zum Beispiel beim Thema "Preis", weitaus strengere Standards hat als viele "Nachhaltigkeitssiegel", die von den Produzent*innen zwar häufig strikte Umweltauflagen fordern, diese aber nicht durch angemessene Preise kompensieren.
 

Anerkannte Kontrollsysteme des Fairen Handels

Zwei Arten von Kontrollsystemen im Fairen Handel: Monitoring und Zertifizierung

Im Fairen Handel gibt es zwei Arten von Kontrollsystemen: Zertifizierungs- und Monitoring-Systeme. Während ein Zertifizierungs-System in der Regel einzelne Produkte mit Hilfe von Siegeln zertifiziert, überprüft ein Monitoring-System ein gesamtes Unternehmen auf die Einhaltung der Fair-Handels-Kriterien. Darüber hinaus setzt jedes System eigene Schwerpunkte. So wird beispielsweise beim Öko-Pionier Naturland eine Bio-Zertifizierung vorausgesetzt, während das WFTO Garantiesystem vorrangig Unternehmen aus dem Handwerksbereich überprüft.

Zertifizierungssysteme

Um ein Produkt mit einem Fair-Handels-Siegel vertreiben zu dürfen, muss eine Produzentenorganisation (z.B. eine Kaffeekooperative) zunächst nachweisen, dass sie die Kriterien für eine nachhaltige Produktion erfüllt, die in den Standards des jeweiligen Kontrollsystems (z.B. Fairtrade) festgelegt sind. Dazu gehören Anforderungen in den Bereichen Arbeits- und Umweltschutz sowie demokratische Selbstbestimmung und Partizipation. Ein*e unabhängige*r Auditor*in überprüft vor Ort, ob diese eingehalten werden.

Kann eine Produzentenorganisation die Einhaltung der Fair-Handelskriterien nachweisen, können beispielsweise deutsche Unternehmen das zertifizierte Produkt einkaufen und mit dem jeweiligen Siegel in Deutschland vertreiben.

Die Kontrolle durch die Zertifizierungsorganisation stellt also sicher, dass es sich bei dem in Deutschland verkauften gesiegelten Produkt um ein fair gehandeltes Produkt handelt. Gleichzeitig kann bei gesiegelten Produkten keine Aussage über die sonstige Einkaufspolitik des Unternehmens, das das Produkt in Deutschland vertreibt, getroffen werden. So können Unternehmen, die Produkte mit Fair-Handels-Siegeln anbieten, auch Produkte im Sortiment haben, die nicht unter Fair-Handels-Kriterien hergestellt wurden.

Welche Zertifizierungs-Systeme erkennt das Forum Fairer Handel an?

Fairtrade
Fairtrade-Siegel

Siegelinhaber und Standardsetzer für das bekannte Fairtrade-Siegel ist der 1997 gegründete internationale Dachverband Fairtrade International. Der Dachverband gehört zu 50 % den Produzentenorganisationen selbst.

In Deutschland wird das Fairtrade-Siegel von Fairtrade Deutschland vergeben. Seit seiner Gründung 1992 setzt sich der Verein dafür ein, die Lebens- und Arbeitsbedingungen benachteiligter Produzentengruppen im Globalen Süden durch Fairen Handel, Beratung vor Ort, Projekte und Advocacy-Arbeit zu verbessern. Mittlerweile profitieren 1,7 Millionen Produzent*innen in 75 Ländern von Fairtrade. Darüber hinaus klärt der Verein Verbraucher*innen in Deutschland über unfaire Handelsstrukturen auf.

Das Fairtrade-Siegel kennzeichnet u. a. Lebensmittel, Gold, Textilien und Emissions-Zertifikate, die unter Einhaltung der internationalen Fairtrade-Standards hergestellt, bzw. gehandelt wurden. Die Zertifizierung erfolgt durch die unabhängige Gesellschaft FLOCERT. Neben dem klassischen Produktsiegel gibt es seit 2014 sogenannte Rohstoffsiegel.

Fair for Life
Fair-for-life-Siegel

Das Fair for Life-Siegel wird von Ecocert SA vergeben. Die Produkt-Zertifizierung kennzeichnet u. a. Lebensmittel, Kosmetik, Textilien, Handwerk und Haushaltsprodukte.

Das 2006 von der Kontrollstelle „Institut für Marktökologie“ (IMO) ins Leben gerufene Fair for Life-Programm wurde 2016/17 überarbeitet und unter der Leitung von Ecocert SA mit dem Ecocert-Standard zusammengeführt. Ecocert SA ist eine Inspektions- und Zertifizierungsstelle, die 1991 in Frankreich gegründet wurde und Dienstleistungen in über 130 Ländern anbietet.

Das Fair for Life-Programm ist insbesondere aus dem Anspruch heraus entstanden, bio-zertifizierten Betrieben ein Fair-Handels-Siegel zur Verfügung zu stellen, das produkt- und sektorübergreifend für verschiedene Organisationsformen weltweit anwendbar ist. So zertifiziert Fair for Life nicht nur Kooperativen, sondern auch einzelne Farmen sowie Vertragsanbau. Unter bestimmten Bedingungen ist die Zertifizierung auch für größere Farmen oder Plantagen möglich. Neben dem Anbau von Agrarprodukten können auch Wildsammlungsaktivitäten und Kunsthandwerk zertifiziert werden.

Naturland Fair
Naturland Fair-Siegel

Naturland ist ein internationaler Bauernverband für ökologischen Landbau, der neben dem Naturland Siegel das Naturland Fair-Siegel vergibt. Die Produktzertifizierung von Naturland Fair umfasst neben den Fair-Handels-Kriterien zusätzlich die Naturland Richtlinien für ökologischen Landbau.

Schon seit der Gründung 1982 ist Naturland international ausgerichtet und stellt kleinbäuerliche Betriebe in den Fokus. Mit 70.000 Bäuer*innen in 60 Ländern und vielen Partnerunternehmen verfolgt Naturland das Ziel, ökologische Landwirtschaft umzusetzen, gute Arbeitsbedingungen sicherzustellen und den Fairen Handel weltweit voranzubringen. Dieses Engagement hat Naturland in seinen Öko-, Sozial- und Fair-Richtlinien festgeschrieben. Die Öko- und Sozial-Richtlinien gelten für alle Mitglieder und Partner weltweit und heben sich deutlich von den gesetzlichen Anforderungen der EU-Bio-Verordnung ab.

Die Naturland Fair-Zertifizierung wurde gemeinsam mit Akteuren aus dem Fairen Handel entwickelt und wird seit 2010 angeboten. Eine Besonderheit der Zertifizierung ist, dass diese auch Erzeuger*innen im Globalen Norden einbezieht und so beispielsweise auch fair gehandelte Produkte aus Deutschland und Europa angeboten werden können (z. B. Milch, Brot, Oliven). Zusätzlich eröffnen sich so Chancen für Bäuer*innen im Globalen Süden: Durch Nord-Süd-Mischprodukte, wie Milchschokolade oder Fruchtjoghurts, entstehen neue Absatzmärkte für ihre Erzeugnisse.

Símbolo de Pequeños Productores (SPP)
SPP-Siegel

2006 gründete sich die Organisation FUNDEPPO (Fundación de Pequeños Productores Organizados, heute SPP Global), die das SPP-Siegel vergibt. Im Gegensatz zu vielen anderen Kontrollsystemen hat SPP seinen Ursprung im Globalen Süden. Startschuss für die Gründung war die Unzufriedenheit einiger CLAC-Mitglieder (CLAC ist das Netzwerk der lateinamerikanischen und karibischen Fairtrade-Kleinproduzent*innen und -Arbeiter*innen) mit der Dachorganisation Fairtrade International, die das Fairtrade-System im Jahr 2004 für Plantagen und Vertragsanbau geöffnet hatte.

Als Siegel, das von Kleinbäuer*innen ins Leben gerufen wurde, steht bei SPP die Beteiligung von Produzent*innen-Vertreter*innen und deren Mitspracherecht bei Entscheidungsfindungen an erster Stelle. In der Generalversammlung sind alle relevanten Stakeholder vertreten – ein Stimmrecht haben aber nur die Kleinproduzentenorganisationen.

Die Zertifizierung wird durch verschiedene akkreditierte Zertifizierungs-Organisationen durchgeführt. 2011 hielt das Siegel Einzug in den internationalen Markt. Geografischer Schwerpunkt ist nach wie vor Lateinamerika. Jedoch wird SPP auch zunehmend in Afrika und Asien bekannter.

Monitoring-Systeme

Die anerkannten Monitoring-Systeme des Fairen Handels überprüfen gesamte Unternehmen auf die Einhaltung der Fair-Handels-Kriterien, nicht nur einzelne Produkte. Unternehmen, die einen solchen Monitoring-Prozess durchlaufen haben, werden daher Fair-Handels-Unternehmen genannt. Das bedeutet: Alle von ihnen vertriebenen Produkte werden nach den Prinzipien des Fairen Handels hergestellt und gehandelt.

Ein Monitoring-System ist ein System der "begleitenden Beobachtung" (= Monitoring), das ein gesamtes Unternehmen oder eine Organisation kontinuierlich auf die Einhaltung der Kriterien des Fairen Handels überprüft. Wie bei Zertifizierungs-Systemen gibt es auch bei Monitoring-Systemen strikte Standards und Kontrollen von unabhängigen Auditor*innen. Die generelle Zielsetzung unterscheidet sich jedoch: Ziel eines Monitoring-Systems im Fairen Handel ist es, Abläufe und Verfahren innerhalb einer Organisation systematisch und kontinuierlich zu begleiten. Im Dialog zwischen Handelspartnern werden Schwachstellen thematisiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet. Die Entwicklung der Organisation als Ganzes steht im Vordergrund – nicht ein einzelnes Produkt. Auditor*innen unterstützen neben der Kontrolle beratend die Fair-Handels-Unternehmen und Organisationen dabei, dass Standards zukünftig konsequenter eingehalten werden können.

Welche Monitoring-Systeme erkennt das Forum Fairer Handel an?

Lieferantenkatalog des Weltladen-Dachverband (WL-DV)

Der Weltladen-Dachverband (WL-DV) wurde 1975 als Arbeitsgemeinschaft der Dritte Welt Läden (AG3WL) gegründet. Er ist als gemeinnütziger Verein organisiert und vertritt rund 460 Weltläden und Weltgruppen in Deutschland. Als Dachverband der Weltläden ist es seine zentrale Aufgabe, die Arbeit der Weltläden in ihrer Breite zu unterstützen. Dazu zählen u. a. Qualifizierungsangebote für Mitarbeiter*innen von Weltläden, die Konzipierung von politischen Kampagnen, die Entwicklung von Materialien und Methoden für die Bildungsarbeit sowie die Unterstützung im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus vertritt der Verband die Interessen seiner Mitlieder gegenüber Lieferanten, der Politik und der Öffentlichkeit.

Die inhaltlichen Grundlagen der Arbeit der Weltläden sind in der Konvention der Weltläden festgelegt und werden kontinuierlich weiterentwickelt. Alle Fair-Handels-Unternehmen, die die Kriterien der Konvention der Weltläden erfüllen, werden in einem Verzeichnis gelistet – dem Lieferantenkatalog. Alle dort gelisteten Unternehmen kommen als Lieferanten für Weltläden in Frage.

Mit dem Lieferantenkatalog hat der Weltladen-Dachverband ein Monitoring-System für Fair-Handels-Unternehmen entwickelt. Der WL-DV ist Mitglied der WFTO, weshalb deren 10 Prinzipien des Fairen Handels die Grundlage des Überprüfungsverfahrens des WL-DV im Rahmen des Lieferantenkatalogs bilden. Beim Lieferantenkatalog handelt es sich, im Gegensatz zu anderen Kontrollsystemen des Fairen Handels, nicht um ein Produktlabel. Es darf also nicht auf Produkten angebracht werden.

WFTO-Garantie-System
Label WFTO-Garantie-System

Die World Fair Trade Organization (WFTO) wurde 1989 gegründet und ist eine internationale Dachorganisation von über 400 Fair-Handels-Organisationen in über 75 Ländern, die sich zu 100 % dem Fairen Handel verschrieben haben. Als internationale Dachorganisation des Fairen Handels verfolgt die WFTO einen ganzheitlichen Ansatz und hebt sich damit deutlich von den Anforderungen anderer Systeme ab. Um Mitglied der WFTO zu werden, muss eine Organisation nachweisen, dass sie bei ihrer gesamten Geschäftstätigkeit Menschen und Umwelt an die erste Stelle setzt. Die Mitglieder der WFTO bilden die gesamte Lieferkette der Produkte ab – darunter sind Produzentengruppen und -netzwerke, Vermarktungsorganisationen, Fair-Handels-Unternehmen sowie Unterstützer-Organisationen.

Um die Einhaltung der Fair-Handels-Kriterien bei ihren Mitgliedern überprüfen zu können, hat die WFTO 2013 das sogenannte WFTO-Garantie-System eingeführt. Das Besondere an diesem System ist, dass es die gesamte Geschäftstätigkeit einer Organisation im Blick hat und in Bezug auf die Umsetzung der Fair Handels-Kriterien kontrolliert. WFTO-Mitglieder können demnach die Praktiken des Fairen Handels nicht auf einige wenige Produktlinien oder Rohstoffe beschränken, sondern müssen zu 100 % Fair-Handels-Unternehmen sein.

Die WFTO vergibt also ein Organisations-Label. Dieses findet sich auch auf Handwerks- und Agrarprodukten wieder. Darüber hinaus kann das Label sogar für Dienstleistungen vergeben werden.

Video: Zertifizierungen und Kontrollsysteme im Fairen Handel

Wie funktionieren Zertifizierungen und Kontrollsysteme im Fairen Handel? Welche unterschiedlichen Ansätze gibt es und worauf müssen Produzentenorganisationen, Händler und Importeure achten? Dieses Video erklärt's!

Wie bewertet das Forum Fairer Handel die verschiedenen Kontrollsysteme?

Kontrollsysteme im Fairen Handel sind äußerst komplex und umfangreich. Um zu einer Einschätzung zu kommen, führt das Forum Fairer Handel ausführliche Analysen und Standardvergleiche durch – teilweise in internationaler Zusammenarbeit, wie beim International Guide to Fair Trade Labels (Download). Mittels solcher so genannter "Desk Reviews" kann das Forum Fairer Handel Aussagen über die Qualität von Kontrollsystemen treffen. Es lässt sich also überprüfen, wie gut das System an sich „in der Theorie“ ist. Inwieweit das System "in der Praxis" funktioniert, kann eine Desk Review nicht ermitteln. Dafür wären Fallanalysen vor Ort notwendig. Auch über die Wirkungsebene, also die Frage, ob der Faire Handel seine Ziele erreicht, können Desk Reviews keine Aussagen treffen.

Kriterien für anerkannte Kontrollsysteme im Fairen Handel

Damit das Forum Fairer Handel ein Kontrollsystem anerkennt, muss es zwei wichtige Kriterien erfüllen:

  1. Anspruch und Zielsetzung des Fairen Handels ist es, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen am Anfang der Lieferketten zu verbessern und ihre politische und wirtschaftliche Position zu stärken. Alle anerkannten Kontrollsysteme im Fairen Handel folgen einem ähnlichen Wertekanon, der sich aus der gemeinsamen FINE-Definition ergibt.
  2. Die Prinzipien des Fairen Handels müssen glaubwürdig und überprüfbar in einen Standard „übersetzt“ werden. Der Standard ist ein konkretes Regelwerk, das alle Kriterien, an die sich Produzent*innen und Einkäufer*innen halten müssen, genau definiert. Zu jedem Kriterium des Fairen Handels, z.B. zur Zahlung eines fairen Preises, definiert das Regelwerk, was konkret zur Einhaltung dieses Kriteriums getan werden muss. Des Weiteren definiert es, wie die Kriterien dokumentiert und überprüft werden müssen, und was bei Nichteinhaltung einzelner Kriterien geschieht.
Publikationen zum Thema
Forum Fairer Handel (2020)

Monitoring und Zertifizierung im Fairen Handel

Forum Fairer Handel (2020):

Kompass Fairer Handel: Kontrollsysteme im Fairen Handel

Commerce Equitable France, Fair World Project, FAIRNESS FR, Forum Fairer Handel (2019):

International Guide to Fair Trade Labels

Materialien

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