Kooperativen im Fairen Handel – eine erfolgreiche Form der Zusammenarbeit zum Erreichen der SDGs

Foto: UCA Miraflor

Autorin
Calypso Hock
Projektleiterin Fund for Producer Partners

Am ersten Samstag im Juli wird der internationale Tag der Kooperativen gefeiert – 2023 bereits zum 101. Mal. Damit ist der internationale Tag der Kooperativen sogar älter als die Fair-Handels-Bewegung. Im Rahmen des Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen durfte das Forum Fairer Handel (FFH) 33 Kooperativen aus Ländern Lateinamerikas und Asiens begleiten, die im Fairen Handel tätig sind und sich für die Verbesserung der Lebensqualität ihrer Mitglieder einsetzen. Der Fonds wurde vom FFH in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ins Leben gerufen. Dessen Ziel für 2022/23 war es – angesichts gegenwärtiger multipler Krisen, wie der Klimakrise, der Inflation und der Lebensmittel- und Energiekrise sowie den Folgen der Covid-19-Pandemie – die Resilienzfähigkeit der Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen, zu stärken. Außerdem geht aus einem aktuellen Positionspapier vom BMZ hervor, dass soziale Gerechtigkeit nur erreicht werden kann, wenn die Schere zwischen Arm und Reich kleiner wird und es unterstreicht das Ziel 10 der Agenda 2030, in dem es um die Reduzierung von Ungleichheit geht.

In diesem Beitrag soll es deshalb um die Frage gehen: Welche Rolle spielen Kooperativen im Fairen Handel in der Bekämpfung von Ungleichheit?

Die Kooperative – eine wichtige Institution für Kleinbäuer*innen weltweit

In Kooperativen schließen sich Personen freiwillig zusammen, um gemeinsame wirtschaftliche, soziale und kulturellen Bedürfnisse und Bestrebungen durch ein in gemeinsamem Besitz befindliches und demokratisch kontrolliertes Unternehmen zu erfüllen. Mit anderen Worten: Bei Kooperativen steht der Mensch im Mittelpunkt und nicht der wirtschaftliche Profit. Alle Mitglieder der Kooperative haben durch ihren demokratischen Aufbau Mitspracherecht und werden gleichbehandelt. Durch Kooperativen haben weltweit viele Menschen Zugang zu Infrastruktur, die vom Staat und profitorientierten Unternehmen oft nicht bereitgestellt wird. Die ILO schätzt, dass Kooperativen weltweit 279 Millionen Arbeitsplätze schaffen und langfristig erhalten. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung menschenwürdiger Arbeit und zur Verwirklichung der Sustainable Development Goals.

Etwa 90% der weltweit 570 Millionen Landwirte sind Kleinbäuer*innen. Sie produzieren einen entscheidenden Anteil der Lebensmittel für die Weltbevölkerung und spielen dadurch eine zentrale Rolle bei der Ernährungssicherheit, der Reduzierung von ländlicher Armut, sie schützen die Biodiversität und sind ein wichtiger Schlüssel in der Eindämmung der Klimakrise. Obwohl sie unentbehrlich für die Ziele der Agenda 2030 sind, sind Kleinbäuer*innen dem gnadenlosen globalisierten Wettbewerb ausgesetzt und müssen mit großen landwirtschaftlichen Betrieben und Konzernen konkurrieren, die im gegenwärtigen globalen Ernährungssystem viele Vorteile genießen. Der Zusammenschluss von Kleinbäuer*innen in Kooperativen ist fundamental, damit sie auf dem globalisierten Markt weiterbestehen und weniger den ungleichen Machtverhältnissen ausgesetzt sind. Da Kooperativen den Ertrag der Kleinbäuer*innen abnehmen, haben diese eine erhöhte Sicherheit, ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können und sind sogar in der Lage, ihren Betrieb zu professionalisieren und Investitionen zu tätigen.

Laut dem Bericht über soziale Gerechtigkeit von Oxfam hat sich die Ungleichheit zwischen 2020 und 2021 weiter verschärft: 63 Prozent des gesamten neuen Vermögens hat sich das reichste Prozent angeeignet, während 37 Prozent an 99 Prozent der Weltbevölkerung gingen.

Welche Formen von Ungleichheit gibt es?

Ungleichheit setzt sich aus vielen Faktoren zusammen und ist ein komplexes Phänomen. Aus einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier vom BMZ sind folgende Formen von Ungleichheit zu entnehmen: Chancenungleichheit, Ergebnisungleichheit, vertikale und horizontale Ungleichheit. Chancenungleichheit besteht beispielsweise, wenn nicht die gleichen Entfaltungsmöglichkeiten z.B. aufgrund von Geschlecht oder Herkunft gegeben sind. Man spricht von Ergebnisungleichheit bei einer ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen. Vertikale Ungleichheit beschreibt Einkommens- und Vermögensverteilung zwischen Individuen mit Blick auf den Zugang zu Bildung, natürlichen Ressourcen und Gesundheitsversorgung, während horizontale Ungleichheit sich auf die Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen bezieht.  

In den letzten Jahren ist die Kluft zwischen Arm und Reich größer geworden und trifft v.a. diejenigen, die sich bereits an der Armutsgrenze befinden und die Folgen von Ungleichheit am stärksten spüren. Hier kommen für viele Kleinbäuer*innen Kooperativen ins Spiel, weil sie ein wichtiges Sicherheitsnetz bieten. Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen genießen durch ihre Mitgliedschaft Mitspracherecht, sie haben einen sicheren Abnehmer für ihren Ertrag und können davon ausgehen, dass der Profit gerecht verteilt wird und somit der ländlichen Entwicklung dient. Im Zuge dessen werden Armut und Ungleichheit bekämpft.

Ein sehr großer Teil der Handelspartner von Fair-Handels-Unternehmen ist in Kooperativen organisiert. Ihre Mitglieder sind hauptsächlich Kleinbäuer*innen, die für den lokalen Markt, aber auch für den Export, Lebensmittel wie z.B. Kaffee, Kakao, Quinoa, Honig, Tee, Südfrüchte und Zucker produzieren. Der Small Farmers Atlas stellt fest, dass die horizontale Zusammenarbeit zwischen Kleinbäuer*innen und Kooperativen ein wichtiges Instrument ist, um Ungleichheit zu reduzieren, z.B. indem sie Marktzugang schaffen. Zudem ist die vertikale Zusammenarbeit von Kooperativen mit staatlichen Institutionen wie z.B. der GIZ und zivilen Organisationen wie dem FFH ein wichtiges Sprachrohr für die Kleinbäuer*innen im Globalen Süden, durch das sie externe Unterstützung erhalten können. Diese zwei Formen der Zusammenarbeit sind zentral für die Resilienzfähigkeit von Kleinbäuer*innen und die Bekämpfung von Ungleichheiten. Sie sind zum Teil dank des Zusammenschlusses in einer Kooperative möglich. Letztere unterstützen auch die Kleinbäuer*innen, damit sie faire und ökologische Zertifizierungen (aufrecht)erhalten und so (weiterhin) vom Fairen Handel profitieren können.

Mitglieder der Kooperative Pichanaki aus Peru bei einer Schulung zu biologischem Dünger. Die Schulung wurde durch den Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen gefördert. Foto: Pichanaki

Was bieten Kooperativen im Fairen Handel?

Im Fairen Handel bekommen die Kleinbäuer*innen eine faire Bezahlung und es wird danach gestrebt, ökonomisch benachteiligte Kleinbäuer*innen und Produzent*innen Marktzugang zu verschaffen. Noch dazu spielen faire Handelspraktiken eine zentrale Rolle sowie gute Arbeitsbedingungen, die frei von Diskriminierung und Kinderarbeit sind. Der Faire Handel setzt sich auch für die Professionalisierung und Bildung von Kleinbäuer*innen ein, die an Schulungen zur Unternehmensgründung teilnehmen durften wie z. B. bei der Kooperative WEAN aus Nepal.

Porträt der Kooperative WEAN aus Nepal

Porträt der Kooperative WEAN aus Nepal

Schließlich gehört der Umweltschutz auch zu den Prinzipien des Fairen Handels und ist ein ausschlaggebender Aspekt in der Stärkung der Resilienzfähigkeit der Kooperativen. Die Maßnahmen, die die Kooperativen durch den oben erwähnten Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen umgesetzt haben, wirken sich positiv auf die bereits umweltfreundlichen Arbeitsprozesse der Kooperativen aus. Beispielsweise ist ein Teil der Kooperativen durch die Förderung in der Lage, ihren eigenen organischen Dünger zu produzieren und arbeitet dadurch noch ressourcenschonender. Die demokratische Struktur der Kooperativen und die Tatsache, dass sie Ressourcen und Fördermittel wie z. B. aus dem Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen gerecht verteilen, machen sie zu einem wichtigen Akteur in der Bekämpfung von Ungleichheiten und der Verbesserung der Resilienzfähigkeit von Kleinbäuer*innen im Globalen Süden.

Im Rahmen des Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen durfte das FFH einen Teil der geförderten Kooperativen filmisch begleiten und Porträts von ihnen erstellen.

Die Kooperative KTERC aus Nepal berichtet von ihren aktuellen Herausforderungen und positiven Erfahrungen im Fairen Handel. Die Geschäftsführerin Tara Banskota erwähnt auch, welche Maßnahmen durch den Fonds ergriffen werden konnten:

Porträt: Kooperative KTERC aus Nepal

Ein Porträt der Kaffeekooperative KTERC aus Nepal

Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen bietet unterstützende Maßnahmen, die Kooperativen in ihrer Resilienzfähigkeit stärken

Mit dem Beginn der Covid-19-Krise hat das FFH erkannt, dass Kleinbäuer*innen aus dem Globalen Süden Unterstützung brauchen, um externe Schocks überwinden zu können. Dabei sind vor allem spezifische Investitionen in klimaresiliente Praktiken außerordentlich wichtig, um die Produktivität, Rentabilität und Marktchancen zu verbessern und Kleinbäuer*innen gegenüber externe Schocks wie der Klimakrise zu stärken (siehe Small Farmer Atlas).

Durch den Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen konnten eine Vielfalt an Maßnahmen durchgeführt werden, die Ungleichheit reduzieren und die Resilienzfähigkeit stärken. Zum Beispiel hat die Kooperative Manduvirá aus Paraguay eine Förderung erhalten, um Drohnen zur Anwendung von Biodünger anzuschaffen. Davon haben 215 Zucker-Bäuer*innen profitiert, die stark unter den Folgen der Klimakrise leiden und wegen schlimmer Dürre- und Frostperioden bis zu 50 % Ertragseinbußen verzeichnet hatten:

Porträt: Kooperaive Manduvira Paraguay

Ein Porträt der Zuckerrohr-Kooperative Manduvira aus Paraguay

Die Kooperative Pichanaki aus Peru wurde durch den Fonds mit dem Ziel gefördert ihren eigenen biologischen Dünger herzustellen und dadurch unabhängiger zu sein. Dafür hat Pichanaki sogenannte Biodigestores angeschafft und mit den Kleinbäuer*innen Schulungen für ihren Einsatz durchgeführt. Wie der Geschäftsführer von Pichanaki, Pedro Rodriguez Pariona, berichtet, konnten 1250 Hektar Kaffee- und Kakaoanbau mit dem biologischen Dünger bewirtschaftet werden:  

Porträt: Kooperative Pichanaki Peru

Ein Porträt der Kaffeekooperative Pichanaki aus Peru

Kooperativen im Fairen Handel setzen sich täglich für die Rechte der Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen ein und sind ein wichtiger Partner in der Umsetzung von zukunftssichernden Projekten, wie die des Fonds für Kleinbäuer*innen und Kleinproduzent*innen. Über die Bedeutung vom Fairen Handel berichtet die Kleinbäuerin Odalys Isabel Rugama Talavera, ein Mitglied der Kooperative UCA MIRAFLOR aus Nicaragua:

Porträt: Kooperative UCA MIRAFLOR aus Nicaragua

Ein Porträt der Kaffeekooperative UCA MIRAFLOR aus Nicaragua

Die Bekämpfung von Ungleichheit braucht ein langfristiges Engagement

Das BMZ macht in seinem Positionspapier deutlich, dass Ungleichheiten nur durch eine umfassende Kombination von wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischer Maßnahmen wirksam und langfristig reduziert werden können. Der Faire Handel verfolgt einen umfassenden Ansatz und arbeitet seit vielen Jahren mit seinen Partnern auf Augenhöhe zusammen, um sie gegen zukünftige Schocks und die gegenwärtigen Krisen zu stärken. Der Fonds hat einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung aktueller Krisen geleistet und wird sich auch in Zukunft positiv auswirken. Punktuelle Förderungen und Maßnahmen sind jedoch nicht ausreichend, um tiefgründige Transformationen herbeizuführen. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass die Strukturen des Fairen Handels auch in Zukunft weiter gestärkt und ausgebaut werden, um den Zielen einer globalen Gerechtigkeit und der gleichen Verteilung von Macht und Ressourcen näher zu kommen.

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