Gleiche Chancen durch Fairen Handel - wie Förderprojekte im Fairen Handel die Stärkung von Frauen vorantreiben

Foto: Ethiquable

Autorin
Calypso Hock
Projektleiterin Fund for Producer Partners

Seit 2020 werden über Mittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über 100 Handelspartner der Mitglieder des Forum Fairer Handel (FFH) finanziell unterstützt. Gestartet als Soforthilfe, um die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie zu unterstützen, wurde das Projekt im vergangenen Jahr zum Fund for Producer Partners ausgebaut, um Handelspartner und kleinbäuerliche Strukturen nachhaltig zu stärken. Die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Mit den Förderprojekten wurde ökonomisch benachteiligten Produzent*innen u. a. die Möglichkeit gegeben, ihre Geschäftskontinuität in Zeiten multipler Krisen aufrecht zu erhalten und ihre Resilienzfähigkeit zu stärken. In der Praxis werden dabei einige der 10 Prinzipien des Fairen Handels befördert: Dazu gehört auch die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit. Anlässlich des Weltfrauentages 2023 beleuchten wir, wie die Förderprojekte damit auch zur Umsetzung einer feministischen Entwicklungspolitik beitragen. Das Konzept ist besonders aktuell, da Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze am 1. März 2023 ihre feministische Strategie vorgestellt hat.

Der Faire Handel als strategischer Partner der feministischen Entwicklungszusammenarbeit

Der Faire Handel und Geschlechtergerechtigkeit sind eng miteinander verwoben und können nicht ohne einander gedacht und praktiziert werden. In der Tat waren Geschlechtergerechtigkeit und die Bekämpfung jeglicher Form von Diskriminierung von Anbeginn in den Prinzipien und Standards des Fairen Handels verankert– und zwar Jahrzehnte, bevor die Bundesregierung das Konzept der Feminist Foreign Policy im Koalitionsvertrag (2021-2025) eingebracht hat. Das FFH und seine Mitglieder sowie Kooperationspartner verstehen unter feministischer Entwicklungs-zusammenarbeit weit mehr als die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Förderung von Frauen. Feministische Entwicklungspolitik muss dazu beitragen, patriarchale, koloniale und rassistische Machtstrukturen zu überwinden. Laut des aktuellen Positionspapiers „Feministische Entwicklungspolitik und Fairer Handel“ müssen die Rechte von Frauen, LGBTIQ+Personen, Menschen mit Behinderung, Kindern und Jugendlichen, älteren Menschen, Geflüchteten, Schwarzen, People of Color und Indigene besonders geschützt werden. Die Bundesregierung hat sich für ihre Strategie ein Beispiel an Schweden genommen und konzentriert sich in der Arbeit auf die sogenannten „3R+D“-Bereiche. Dabei geht es darum, die Einhaltung der Rechte von Frauen zu stärken und ihre Repräsentation zu fördern. Außerdem sollen Ressourcen so eingesetzt werden, dass Gerechtigkeit und Chancengleichheit die Realität von Frauen und Mädchen verbessert. Das „D“ steht für die Anerkennung von Diversität in unserer Gesellschaft, die zusätzliche Bedürfnisse und auch eine Bereicherung mit sich bringt.

Solidarität in Zeiten multipler Krisen – Förderprojekte mit großer Wirkung

Mit der Förderung von Maßnahmen wird die Resilienzfähigkeit von vulnerablen Gruppen gestärkt und es wird dadurch der kontinuierliche Einsatz für die Rechte und die Förderung u.a. von Frauen vorangebracht. Auf diese Weise zahlen auch Förderprojekte auf die Ziele der feministischen Entwicklungspolitik ein. Es zeigt jedoch auch, dass der Faire Handel in der Lage ist, schnell auf Krisen zu reagieren, um wertebasierte Kooperationen von verschiedenen Akteuren aufzubauen. Des Weiteren wirkt sich der Fonds positiv auf die langjährigen Partnerschaften im Fairen Handel aus, indem sie global an Stabilität gewinnen und eine Weiterentwicklung verzeichnen. Die gleiche politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller Menschen unabhängig vom Geschlecht erlebt eine Stärkung. Darüber hinaus werden mit dem Fund for Producer Partners Strukturen für Klimaanpassungen und mehr Unabhängigkeit der Handelspartner u.a. von externen Energielieferanten geschaffen. Das macht die Handelspartner und Kooperativen langfristig widerstandsfähiger gegen zukünftige Schocks und Krisen. 

Welche Rolle spielen Kooperativen für die Repräsentation von vulnerablen Gruppen insbesondere von Frauen?

Die große Mehrheit der geförderten Organisationen sind Kooperativen: Ihr Geschäftsmodell zeichnet sich dadurch aus, dass die Arbeiter*innen und Produzent*innen selbst Eigentümer*innen und Entscheidungsträger*innen sind. Kooperativen basieren auf demokratischen Prinzipien und werden durch die Mitglieder selbst verwaltet. Sie sind von gemeinsamen Werten und Zielen geleitet, bei denen die Menschen und nicht das ökonomische Wachstum im Vordergrund steht. Solidarität ist der Motor für transformative Prozesse. Die Mitglieder der Kooperativen verwalten selbst ihren Umsatz und tätigen Investitionen, um ihre Vorstellungen in die Realität umzusetzen. Da Kooperativen ihren Mitgliedern die Teilhabe auf verschiedenen Ebenen ermöglichen, ist dieses Geschäftsmodell außerordentlich inklusiv. Mehrere vom Fonds geförderte Kooperativen legen besonderen Wert auf Geschlechtergerechtigkeit und die Teilhabe von Frauen und weiteren vulnerablen Gruppen. Wie das in der Praxis aussieht, zeigen die folgenden Beispiele.

APROLMA und COOPAKE – Zwei Beispiele, die Frauen stärken

Die Frauenkooperative APROLMA (Asociación de Productoras Libres de Marcala) produziert seit 2013 hochwertigen Bio-Kaffee in Honduras, der hauptsächlich exportiert wird. Sie hat 69 Mitglieder und ist seit 2015 Handelspartner des FFH-Mitglieds GEPA – the Fair Trade Company. APROLMA hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensgrundlage der Frauen und ihrer Familien zu verbessern und sie im Umgang mit den Folgen der Klimakrise zu unterstützen. Ausschließlich Frauen können Mitglied von APROLMA sein. Auch die Arbeitsplätze in der Verwaltung der Kooperative sind fast ausschließlich von Mitglieds-Frauen besetzt. Eine unter ihnen ist Irma Esperanza Quintero, die sechs Kinder hat und mit einem Tischler verheiratet ist der ihr 1,4 Hektar seines Landes überschrieben hat. Darauf baut sie Kaffee unter Zitrus-, Guave-, Mango- und Papayabäumen sowie Bananenstauden an. Mit der finanziellen Unterstützung von BMZ und GIZ wurden Bewässerungssysteme und Gewächshäuser gebaut, um die Ernteerträge der Kooperative zu steigern und die Qualität des Kaffees zu verbessern. Die Mitglieder von APROLMA werden bei der Diversifizierung ihrer Produktion und Vermarktung ihrer Produkte unterstützt, um ihre Einkommensmöglichkeiten zu verbessern. Darüber hinaus wurde in den letzten Jahren durch den Fairen Handel einiges erreicht, um die Lebensbedingungen der Frauen zu verbessern und ihre Anbaumethoden an die Klimakrise anzupassen. Zum Beispiel hat die Kooperative Gräben gezogen, um überschüssiges Regenwasser aufzufangen und Erosionen zu verhindern. Die Frauenkooperative bietet ihren Mitgliedern Weiterbildungsmöglichkeiten an wie z. B. landwirtschaftliche Schulungen zum Bio-Anbau und Führungstrainings. Indem sie lernen, wie sie ihren eigenen Betrieb führen und Arbeitsabläufe planen, setzten sie ihre Menschenrechte um, weiten ihre Teilhabe an der Gesellschaft aus und verbessern langfristig ihre eigene Lebenssituation. Die Kooperative strahlt auf die gesamte Familie der Bäuerinnen aus, denn ihre Kinder können eine bessere Bildung – z. B. als Jurist*in oder Betriebswirt*in- anstreben. In den letzten Jahren wurden verstärkt die Ehemänner der Frauen in die Arbeit der Kooperative eingebunden, was das Verständnis untereinander und den Zusammenhalt in der Familie fördert, wie im Falle von Nicolasa Vásquez Gonzales, die dank des Fonds ihre landwirtschaftlichen Aktivitäten über die Kaffeeproduktion hinaus diversifizieren konnte. Das heißt, dass sie Hühner, Schweine und Saatgut kaufen konnte, um die Ernährung und Gesundheit ihrer Familie sichern zu können. Darüber hinaus konnte Nicolasa ein Gewächshaus errichten, indem sie gemeinsam mit ihrer Familie Gemüse anbaut:

"Ich konnte ein Gewächshaus bauen und hatte Land und Bewässerung zur Verfügung, um anbauen zu können. Also begannen wir als Familie zu arbeiten (mein Mann, meine Töchter und enge Verwandte). Im Gewächshaus habe ich verschiedene Gemüsesorten angebaut und geerntet. Dieses bietet Schutz und hilft Schädlinge und Krankheiten in den Kulturen zu vermeiden. Ich konnte einen Teil der Ernte verkaufen und meine Familie ernähren. Dank des GIZ- und APROLMA-Projekts haben wir eine ausreichende und abwechslungsreiche Verpflegung, zumal wir auch Hühnereier produzieren. Mittlerweile haben wir so viele Eier, dass ich sogar welche in meiner Gemeinde und der Nachbarschaft verkaufen kann."

Nicolasa Vásquez Gonzales, Mitglied der Frauenkooperative APROLMA

Das erste Beispiel zeigt, dass durch Klimaanpassungen die Resilienzfähigkeit der Handelspartner stärkt und darüber hinaus die feministische Entwicklungszusammenarbeit voranbringt. Das äußert sich u. a. in Form von mehr Unabhängigkeit für die Frauen der Kooperative APROLMA. Für eine erfolgreiche feministische Entwicklungszusammenarbeit reicht es jedoch nicht aus, allein reine Frauenkooperativen zu fördern. Der Fonds hat auch Kooperativen unterstützt, die sich für eine Sensibilisierung für die Gerechtigkeit aller Geschlechter einsetzt, gleiche Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern aufzubauen. Die Kooperative COOPAKE (Coopérative Agricole du Kénédougou) aus Burkina Faso zählt 273 Mitglieder, darunter 95 Frauen, die getrocknete Mangos, Cashewkerne und Sheabutter produzieren. COOPAKE existiert bereits seit 1963 und die Besonderheit bei ihrer Produktion ist, dass sie die Schale der Kerne vor Ort entfernen. Dieser zentrale Produktionsschritt verhindert, dass die Kooperative nur Rohware an Zwischenhändler verkauft und eröffnet COOPAKE die Möglichkeit verarbeitete Produkte an diverse Abnehmer zu verkaufen und sogar zu exportieren. Darüber hinaus schafft dieser zusätzliche Produktionsschritt Arbeitsplätze und hält die Transportwege kurz.

Im Rahmen der Förderung wurde ein Gesundheitsplan für die Genossenschaft erarbeitet sowie Hygiene- und Gesundheitsschulungen für Mitglieder durchgeführt. Darüber hinaus konnte das Produktsortiment auf Sheabutter ausgeweitet und die dafür notwendigen Maschinen angeschafft werden. Die Produktion der Sheabutter wird ausschließlich von Frauen durchgeführt, die eine spezielle Schulung absolvieren konnten. Zusätzlich haben Frauen der Kooperative mit der Herstellung von Seife zur Eigennutzung begonnen und sich dafür ebenfalls fortgebildet. Die Seife wird aus den Cashewkernen hergestellt, die qualitativ minderwertig sind und nicht anderweitig verwertet werden können. Die weiblichen Mitglieder der Kooperative sind auch im Manoganbau integriert. Anfangs musste die Kooperative einen hohen Verlust erleiden, weil sie nicht alle ihre frischen Mangos verkaufen konnte. 1995 wurde mit der Trocknung der Mangos begonnen, um die Verluste zu minimieren. Dank dieses neuen Standbeines wurden 80 saisonale Arbeitsplätze für Frauen geschaffen. COOPAKE arbeitet am Empowerment von Frauen, indem sie Schulungen absolvieren und eine wichtige Rolle in der Produktion des gesamten Sortiments spielen. Durch den Fairen Handel und der Fördermittel erhielt COOPAKE die Möglichkeit, ihre Werte wie Geschlechtergerechtigkeit, faire und ökologische Produktion weiter zu stärken.

Große Chancen durch den Fund for Producer Partners

Im Rahmen der Förderungen von BMZ und GIZ konnte ein wichtiger Beitrag zur Resilienz der geförderten Organisationen geleistet und neue Perspektiven für Frauen geschaffen werden, die sich langfristig positiv auf sie und ihre Angehörigen auswirken. Das FFH hofft, dieses Projekt langfristig mit dem BMZ und der GIZ weiterführen zu können. Die Partnerschaft zwischen dem BMZ und dem Fairen Handel ermöglicht eine bedeutende Stärkung der Kleinbäuer*innen im Globalen Süden. Für die Umsetzung feministischer Anliegen sind langfristige, flexible und nachhaltige Fördermittel zur Stärkung von Frauenrechten notwendig. Die Teilhabe von Frauen muss unermüdlich gefördert werden, z. B. nach dem Vorbild von APROLMA und COOPAKE.

Ausblick des Fairen Handels und der feministischen Entwicklungszusammenarbeit

Das Ziel der feministischen Entwicklungszusammenarbeit ist es, gleiche politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe aller Menschen, unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung, ethnischer Zuschreibung und Herkunft, Religion, Nationalität, Alter, Behinderung oder Aufenthaltsstatus zu erreichen. Deshalb erfordert eine feministische Entwicklungspolitik darüber hinaus die selbstreflektive Auseinandersetzung mit den eigenen Privilegien und der aus der Geschichte des Kolonialismus und Kapitalismus gewachsenen finanziellen sowie politischen Deutungs- und Entscheidungsmacht des Globalen Nordens. Das bereits erwähnte Positionspapier erläutert auf prägnante Art und Weise, dass der Faire Handel und feministische Entwicklungszusammenarbeit natürliche Partner sind und der Faire Handel auch in Zukunft ein strategischer Partner der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist.

weiterführende Informationen

Das Positionspapier "Fairer Handel und feministische Entwicklungspolitik" zum Download.

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