50 Jahre Weltläden

50 Jahre Weltläden

Weltladen-Dachverband/A.Stehle

Nadine Busch
Autorin
Nadine Busch
Öffentlichkeitsarbeit/Jubiläum 50 Jahre Weltläden

"Eure Almosen könnt ihr behalten, wenn ihr gerechte Preise zahlt."

Dieses Zitat eines ehemaligen brasilianischen Erzbischofs ist eine Art Leitmotiv für die Weltladen-Bewegung, die sich nicht abfindet mit Ungerechtigkeiten im Welthandel, sondern seit 50 Jahren aktiv die Welt von morgen mitgestaltet.

Mit Demonstrationen junger Menschen fing alles an

Ihren Anfang hat die Geschichte der Weltläden und des Fairen Handels zu Beginn der 1970er Jahre. In mehreren Ländern protestierten vor allem junge Menschen gegen die wachsende Ungerechtigkeit im Welthandel. An den u.a. von kirchlichen Jugendorganisationen veranstalteten Demonstrationen – den sogenannten Hungermärschen – nahmen allein in Deutschland mehr als 30.000 Menschen in über 70 Städten teil. Eine neue Bewegung war entstanden.

Doch die Demonstrierenden beließen es nicht bei Protesten. Sie gründeten die "Aktion Dritte Welt Handel" (A3WH) und wollten zu einem Bewusstsein in der Gesellschaft für die aus ihrer Sicht ungerechten Welthandelsbedingungen beitragen. Gleichzeitig boten Aktionsgruppen fair gehandelte Produkte auf Märkten und nach Gottesdiensten an. Ihre Waren bezogen sie am Anfang über die niederländische Importorganisation S.O.S. Wereldhandel (heute Fairtrade Original).

1973 wurde der erste Weltladen "Weltmarkt" in Stuttgart in der Blumenstr. 38 gegründet. Die IHK protestierte, dass der Begriff „Weltmarkt“ überzogen sei. Aber das Ladenteam ist dabeigeblieben. So wurde der „Weltmarkt“ zum ersten Weltladen mit üblichen Öffnungszeiten.

Der Laden bezog seine Waren einerseits aus den Niederlanden. Über einige Ehrenamtliche, die Mitarbeitende bei "Brot für die Welt" waren, erhielt der "Weltmarkt" aber auch Kontakte zu Gruppen im Globalen Süden, die Kunsthandwerk in kleineren Mengen liefern konnten und erste Erfahrungen mit dem alternativen Handel sammeln wollten. Zum Sortimentsbestand gehörten am Anfang Kunsthandwerk wie zum Beispiel fein geflochtene Tiere und gewebte Bänder sowie Kleidung wie Alpaka-Pullover und Blusen. Später kam Kaffee dazu. Am 29. September 2023 jährt sich der Gründungstag des Weltladens zum 50. Mal, auch wenn dieser 1985 schließen musste.

Die Zahl der Weltläden wuchs schnell. 1978 existierten bereits 40 Weltläden, 1985 etwa 200. Heute gibt es mehr als 900 Weltläden und mehrere tausend Fair-Handels-Gruppen. Das Ziel ist nach wie vor, die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Menschen in den Ländern des Globalen Südens zu verbessern.

Weltweite Bewegung mit gemeinsamem Auftrag

Was die Weltladen-Bewegung auszeichnet, sind Transparenz und direkte Kontakte in der gesamten Lieferkette. Langjährige Handelsbeziehungen und der persönliche Austausch stärken das enge Vertrauensverhältnis der Handelspartner. Jährliche Besuche von Produzent*innen in Deutschland ermöglichen einen direkten Austausch mit Weltladen-Engagierten und sogar mit Verbraucher*innen.

Mehr als 2,5 Mio. Produzent*innen und ihre Familien arbeiten im Fairen Handel. Über 90 Import-Organisationen verkaufen ihre fair gehandelten Produkte in ca. 900 Weltläden, in denen sich rund 30.000 Menschen – überwiegend ehrenamtlich – engagieren.

1989 schlossen sich Produzent*innen, Organisationen und Händler*innen wie Weltläden in einem internationalen Dachverband zusammen, der seit 2003 World Fair Trade Organization (WFTO) heißt. Er umfasst heute über 400 Mitglieder aus 70 Ländern.

Weltläden sind wichtige Akteure im Fairen Handel

Auch wenn es faire Produkte mittlerweile im Supermarkt gibt: Die Weltläden sind nach wie vor ein wichtiger Absatzkanal für fair gehandelte Produkte – insbesondere für Kunsthandwerk und Textilien, die es in Supermärkten nicht gibt. Darüber hinaus leisten sie wichtige Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zum Fairen Handel und haben damit zu einem veränderten Bewusstsein und Kaufverhalten in Deutschland beigetragen. Außerdem sind sie als lokale Akteure gut vernetzt und Ansprechpartner für Verwaltungen, Schulen oder andere NGOs.

Auch politisch sind die Weltläden aktiv und haben sich zuletzt beispielsweise erfolgreich mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren für ein deutsches Lieferkettengesetz eingesetzt.

Viele anerkannte Lieferanten, befreundete Organisationen, Produzenten und Politiker*innen haben den Weltläden und ihren Engagierten Videoglückwünsche zum 50. Geburtstag der Weltladen-Bewegung übersendet.

Die Videos können Sie sich auf der Website des Weltladen-Dachverband ansehen.

Antworten auf aktuelle Krisen – Weltläden machen sich zukunftsfähig

Die zahlreichen globalen Krisen wie Klimawandel, Artensterben oder Armut zeigen sehr deutlich, dass wir ein Wirtschaftssystem brauchen, mit dem unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten bleiben. Weltläden und Fair-Handels-Organisationen zeigen auf, wie ein Wirtschaften möglich ist, bei dem der Mensch und die planetaren Grenzen in den Mittelpunkt des Handelns gestellt werden.

Der Faire Handel beschäftigt sich schon seit vielen Jahren (aktuell zum Beispiel auch bei der Fairen Woche 2023) mit der Klimakrise und ihren Auswirkungen auf die Handelspartner im Globalen Süden. Er legt bei seinem Einsatz für Klimagerechtigkeit seinen Fokus darauf, die Handelspartner im Globalen Süden zu unterstützen, zum Beispiel sich an die Folgen der veränderten klimatischen Bedingungen anzupassen. Gleichzeitig ergreifen die Akteure des Fairen Handels im Globalen Norden Maßnahmen, um ihr eigenes Wirtschaften möglichst klimaschonend zu gestalten.

So stammen beispielsweise über 70 Prozent der Lebensmittel im Weltladen aus ökologischem Anbau.

Außerdem informieren Weltläden darüber, dass die Klimakrise auch ungerecht ist und fordern mehr Klimagerechtigkeit – im Laden selbst, bei Veranstaltungen oder in Gesprächen mit Medien und politischen Entscheidungsträger*innen.

Ins Tun kommen

Weltläden bieten verschiedene und niedrigschwellige Möglichkeiten, aktiv zu werden und der Ohnmacht zu entkommen, die sich angesichts der riesigen Herausforderungen unserer Zeit einstellen kann:

  1. Jeder Kauf von fair gehandelten Produkten trägt zu besseren Lebensbedingungen von Produzent*innen im Globalen Süden bei. Hier finden Sie den Weltladen in Ihrer Nähe.
  2. Wer die politischen Forderungen von Weltläden unterstützt, nutzt die eigene Stimme, um strukturelle Veränderungen einzuleiten.
  3. Weltläden bieten regelmäßig Veranstaltungen an und können von Schulen als außerschulischer Lernort besucht werden – neue Inspirationen und einen Perspektivwechsel inklusive.
  4. Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, findet im Weltladen verschiedene Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und zum Kompetenzgewinn: Weltladen vor Ort.

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