Gelungene Kooperation und globale Solidarität in Krisenzeiten

Kaffebohnen in einer Hand
Autor
Matthias Fiedler
Geschäftsführer

Die Corona-Krise hat für starke Einschränkungen im weltweiten Handel gesorgt. Besonders Kleinbäuer*innen am Anfang der Lieferketten wurden von den Einschränkungen im weltweiten Handel stark getroffen. Auch Handelspartner des Fairen Handels bekamen die Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren. Deshalb hat das Forum Fairer Handel gemeinsam mit Fairtrade Deutschland, der Welthungerhilfe und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die COVID-19 Soforthilfe für den Fairen Handel ins Leben gerufen.

Diese ist ein gutes Beispiel dafür, was eine wertebasierte Kooperation von verschiedenen Akteuren zu leisten im Stande ist.

Globale Solidarität: ein Grundpfeiler im Fairen Handel

Ihren Anfang nahm diese Initiative bereits im April 2020, also zu einem Zeitpunkt, zu dem wir in Deutschland gerade verstanden hatten, dass eine Krise von bisher nicht gekanntem Ausmaß auf uns zukommt. Globale Solidarität war schon immer einer der Grundpfeiler im Wertesystem des Fairen Handels und dennoch war es beachtlich zu sehen, wie wichtige Akteure des Fairen Handels in Deutschland in diesem Krisenmoment sofort ihren Blick auf die Produzent*innen und Handelspartner im Globalen Süden lenkten.

Es war von Beginn an klar: Fair-Handels-Akteure werden gemeinsam mit ihren Handelspartnern
durch die Krise kommen, nicht auf deren Kosten.

Ziel der Soforthilfe: Absicherung lang etablierter Lieferketten und fairer Handelsbeziehungen

Bereits im April koordinierten sich das Forum Fairer Handel (FFH), seine Mitgliedsorganisationen sowie Fairtrade Deutschland, um an das Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit dem Ziel heranzutreten, lang etablierte Lieferketten und faire Handelsbeziehungen durch Unterstützungsleistungen abzusichern. Die Offenheit und Bereitschaft zum Handeln, die uns vom Ministerium von Anfang an signalisiert wurde, war eine wichtige Stärkung dieser zivilgesellschaftlichen
Initiative.

Uns allen war zunächst nicht vollständig klar, wie genau diese Unterstützungsleistungen aussehen könnten und wieviel Arbeit zwischen dem ersten Treffen im BMZ und dem Startschuss der Initiative im Sommer 2020 anfallen würde. Sicher war nur, dass wir
schnell handeln mussten und dass diese Aufgabe nur kooperativ leistbar ist. Was wir auch wussten: Diese Krise ist so grundsätzlich, dass sie die bereits vorhandenen Strukturen von globaler Ungleichheit noch verstärkt. Jahrhundertelange koloniale Ausbeutung und ein zutiefst ungerechtes weltweites Handels- und Wirtschaftssystem haben zu der globalen Ungleichheit geführt, die uns nun in der Krise noch eklatanter vor Augen geführt wird.

Eine der wichtigsten Vorgaben für die Sofortmaßnahmen: Schnell handeln!

Das ist keine neue Erkenntnis, denn der Faire Handel arbeitet seit über 50 Jahren daran, diesen Zustand zu verändern. Es ist aber eine Erkenntnis, die nun entschiedenes Handeln erfordert. Handelspartner im Globalen Süden leben und arbeiten in Ländern, denen es oft an sozialen Absicherungs- und funktionierenden Gesundheitssystemen fehlt. Beschäftigungsverhältnisse sind oft prekär und den Schwankungen von Weltmarktpreisen und Auftragslagen brutal ausgesetzt. Die Bilder aus den Medien von Arbeiter*innen, die aufgrund stornierter Aufträge während der Krise auf die Straße gesetzt wurden und sich zu Fuß auf den Weg in ihre Heimatorte gemacht haben, sind nur eins von vielen eindrücklichen Beispielen für die Verwerfungen, die die COVID-19 Krise offenbart hat.

Schnell zu handeln war somit eine der wichtigsten Vorgaben zu Beginn der Umsetzung der COVID-19 Sofortmaßnahmen. Dies hieß zunächst, mit den Mitarbeiter*innen des BMZ herauszufinden, welche Instrumente wir für diese Maßnahme brauchen. Hier war es
gut zu sehen, wie die Mitarbeitenden des BMZ – nachdem wir zusammen bestehende Instrumente auf ihre Tauglichkeit für die Soforthilfe geprüft hatten – die Offenheit hatten, Dinge neu zu denken. Dies war auch deshalb möglich, weil sowohl Bundesminister Dr. Gerd Müller als auch die Leitungsebene im BMZ klar signalisiert hatten, dass sie den Fairen Handel als einen wichtigen Baustein deutscher Entwicklungspolitik ansehen.

Zusammen mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), die mit der Durchführung der Maßnahme beauftragt wurde, begann die Arbeit. Für das FFH war es ein Glücksfall, mit dem Team um Dr. Florian Reil aus dem Programm Nachhaltige Agrarlieferketten und Standards Partner zu haben, die bereit waren, flexibel zu denken und neue Ideen zu entwickeln. Denn schnell wurde klar, dass wir für die COVID-19 Soforthilfe mehrere Umsetzungsstränge brauchen, da die Strukturen des FFH und von Fairtrade Deutschland sehr unterschiedlich sind. Die Mitglieder des FFH sind Fair-Handels-Unternehmen, die direkte Beziehungen zu Handelspartnern im Globalen Süden haben und zu 100 % Fairen Handel betreiben. Ihre gesamte Geschäftstätigkeit folgt den Prinzipien des Fairen Handels. Für diese Unternehmen galt es, spezielle Umsetzungsmechanismen zu entwickeln. Deshalb stand am Anfang eine Bedarfsanalyse.

Erster Schritt: Bedarfsanalyse bei den Handelspartnern

Für die Mitglieder des FFH war es aufgrund der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ihren Handelspartnern schnell möglich, die konkreten Bedarfe abzufragen.

Bereits bei dieser ersten Erhebung wurde zweierlei deutlich: Die Bedarfe sind von Land zu Land, teilweise sogar von Region zu Region unterschiedlich und die erforderlichen Maßnahmen können nur dann Wirkung entfalten, wenn sie auf diese spezifischen Bedarfe zugeschnitten sind. Dieser Erkenntnis folgend wurde zusammen mit der GIZ ein Antragsverfahren für örtliche Zuschüsse entwickelt, das passgenau auf die Bedürfnisse der Handelspartner vor Ort zugeschnitten angepasst werden konnten.

Vielfältiger Unterstützungsbedarf

Die eingehenden Anträge verdeutlichten zwei Aspekte: Einerseits eine extreme Notlage und andererseits eine unfassbare Energie und Kreativität der Handelspartner, diese Krise konstruktiv zu meistern. Der Unterstützungsbedarf war dabei so vielfältig wie die Handelspartner selbst. Dazu gehörten beispielsweise:

  • die Übernahme laufender Betriebskosten, da in vielen Kooperativen aufgrund von Lockdowns sowie Liefer- und Transportschwierigkeiten nicht oder nur in Kurzarbeit gearbeitet werden konnte
  • Schulungen zu Hygiene- und Vorsorgemaßnahmen
  • Trainings in Diversifizierung beim Anbau
  • das Anlegen von Gemüsegärten
  • die Anschaffung von Gerätschaften, um Prozesse zu optimieren

Diese kurze Aufzählung zeigt einen wichtigen Schwerpunkt der COVID-19 Soforthilfe, der von Anfang an so geplant war: Neben klassischer Nothilfe sollte die Resilienz
der Handelspartner gestärkt werden.

Ein voller Erfolg

Nach gut einem Jahr und zwei Antragsrunden lässt sich bereits jetzt sagen, dass diese Initiative ein großer Erfolg war: Insgesamt konnten 75 Handelspartner der Mitglieder des Forum Fairer Handel in 16 Ländern mit Zuschüssen von bis zu 50.000 Euro und einer Gesamtsumme von 2,8 Millionen unterstützt werden.

Aber das sollte nur ein Zwischenergebnis sein, denn in vielen Ländern des globalen Südens ist die Pandemie noch lange nicht vorbei und die Handelspartner werden weiter mit ihren Folgen kämpfen müssen. Die Hoffnung ist, dass wir auch in Zukunft mit starken
Partnern Unterstützung organisieren können, um die Strukturen des Fairen Handels weiter zu stärken.

Die COVID-19 Soforthilfe für den Fairen Handel zeigt, dass globale Solidarität ein entscheidender Wert ist, um ein gerechtes Handelssystem auf den Weg zu bringen. Sie zeigt aber auch, dass eine Kooperation auf Augenhöhe zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren viel bewirken kann. Weltweit profitbasierte Konkurrenz hat uns in die derzeitige Lage gebracht. Kooperation – auch das zeigt der Faire Handel – leistet ein Beitrag dazu, aus der Krise heraus zu kommen.

Dieser Beitrag ist in der Broschüre "Solidarität vor Profit - Die COVID-19 Soforthilfe für den Fairen Handel als ein Beispiel von Unterstützung in Krisenzeiten"  erschienen. Zur Veröffentlichung auf dem Blog wurde er redaktionell leicht angepasst.

Publikationen zum Thema
Forum Fairer Handel (2021):

Solidarität vor Profit - Die COVID-19 Soforthilfe für den Fairen Handel als ein Beispiel von Unterstützung in Krisenzeiten

Die COVID-19 Soforthilfe für den Fairen Handel wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zusammen mit seinen Partnern Fairtrade International, dem Forum Fairer Handel e.V. und der Deutschen Welthungerhilfe e.V. gestartet, um die Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Mit einem Gesamtvolumen von 19,5 Millionen Euro werden nachhaltig produzierende kleinbäuerliche Betriebe im Globalen Süden befähigt, in der Corona-Krise ihre Zukunftsfähigkeiten zu erhalten.

Im Rahmen der Soforthilfe werden bis Mitte 2022 über 600.000 Kleinbäuer*innen in 30 Ländern erreicht. Die Förderung umfasst bedarfsorientierte Maßnahmen, wie beispielsweise die Finanzierung von Ausrüstung für Hygiene und Infektionsschutz sowie Aufklärungskampagnen, Kompensation pandemiebedingter Ernteausfälle, Verteilung von Lebensmittelpaketen. Die Umsetzung vor Ort wird durch die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH) unterstützt.

Über das Forum Fairer Handel e.V. konnten insgesamt 2,8 Millionen Euro als direkte Zuschüsse für Handelspartner im Globalen Süden bereitgestellt werden. Damit konnten die Gelder an die Bedürfnisse von 75 Handelspartnern in 16 Ländern zugeschnitten
werden, um somit die seit Jahrzehnten aufgebauten Strukturen des Fairen Handels zu stabilisieren. Neben der Soforthilfe wurden auch Maßnahmen zur Prävention und Stabilisierung der Geschäftskontinuität umgesetzt.

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