Stark abgeschwächtes EU-Lieferkettengesetz auf dem Weg

Autorin
Maja Volland
Politische Referentin, Forum Fairer Handel

Nach wochenlangem Ringen kam bei der letztmöglichen Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter des Rats (COREPER) in dieser Legislaturperiode am 15.03. eine Mehrheit für das EU-Lieferkettengesetz zustande. Wie zuvor angekündigt, hat sich Deutschland bei der Abstimmung enthalten, obwohl die Bundesregierung den Kompromiss auf EU-Ebene mit beeinflusst und ausgehandelt hatte.

Starke Verwässerungen durch deutsche Blockade

Mit der Ankündigung der deutschen Regierung sich zu enthalten und der Stimmungsmache von Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundesfinanzminister Christian Lindner gegen das Vorhaben, hat die deutsche Bundesregierung die Mehrheit für das EU-Lieferkettengesetzt wochenlang in Gefahr gebracht und dafür gesorgt, dass der bereits ausgehandelte Kompromiss noch einmal geöffnet wurde. Die belgische Ratspräsidentschaft ist Deutschland und anderen blockierenden Mitgliedsstaaten entgegengekommen und hatte den im Dezember zwischen Vertreter*innen von EU-Kommission, Rat und Parlament fertig ausgehandelten Kompromiss noch einmal massiv abgeschwächt:

Unter anderem soll die Richtlinie nun nur noch für Unternehmen gelten mit mehr als 1.000 anstelle von bisher 500 Mitarbeiter*innen und 450 Millionen Euro Umsatz im letzten Haushaltsjahr anstelle von bisher 150 Millionen. Damit wird sie nur noch für sehr große Unternehmen gelten. Konkret fallen rund 5.500 Unternehmen in der EU darunter und sogar Unternehmen, für die bis jetzt das deutsche Lieferkettengesetz gilt, werden mit den Anpassungen an die EU-Richtlinie nicht mehr betroffen sein. Die Hochrisikosektoren, für die niedrigere Grenzwerte galten, wurden komplett gestrichen. Dies betrifft unter anderem für den Fairen Handel wichtige Sektoren wie Textilien, Lebensmittel und Getränke. Zudem gelten lange Übergangsfristen von drei bis vier Jahren (abhängig von Größe und Umsatz des Unternehmens). Ebenfalls problematisch ist, dass die Regelungen der zivilrechtlichen Haftung und die bereits schwachen Pflichten für die nachgelagerte Lieferkette – etwa der Entsorgung von Produkten – eingeschränkt wurden.

Gestrichen wurde auch ein Teil des Artikels zu Klima. So müssen Mitgliedssaaten nicht mehr dafür sorgen, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe über eine geeignete Politik zur Umsetzung des in dem Kapitel geforderten Klimaplans verfügen. Entsprechend müssen Unternehmen in Zukunft zwar einen Klimaplan erstellen. Das heißt, sie müssen darlegen, wie sie die Emissionen in ihrem Geschäftsbereich und vor allem auch in ihrer Lieferkette so reduzieren, dass sie im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens stehen. Doch sollen die zuständigen Behörden nur kontrollieren, ob ein Unternehmen einen solchen Plan erstellt, nicht aber, ob das Unternehmen diesen auch umsetzt. Dies schwächt den ohnehin schwachen Klimaaspekt der Richtlinie noch weiter.

Bundesregierung etabliert sich als Blockierer progressiver Regelungen in der EU

Dass die Bundesregierung mit ihrer Enthaltung dafür gesorgt hat, dass der im Dezember bereits gefundene Kompromiss noch einmal geöffnet und derart stark verwässert wurde und dann weiterhin nicht zustimmte, ist ein Skandal. Die Zustimmung im Europäischen Rat und Parlament gilt nach erzielten Kompromissen in den sogenannten Trilog-Verhandlungen eigentlich als Formsache. Doch obwohl die Bundesregierung den ausgehandelten Kompromiss mit verhandelt und beeinflusst hatte, kündigte sie Anfang Februar ihre Enthaltung zu der wichtigen Menschenrechts-Richtlinie an. Grund war eine Blockade der FDP, die den Kompromiss ablehnte, obwohl auch ihre Minister in die Verhandlungen einbezogen waren. Deutschland wird damit zum wiederholten Male zum Blockierer progressiver Regelungen in der EU, weil die FDP in letzter Minute ihre Zustimmung verweigert – zuletzt etwa auch bei der EU-Klimavorgabe für Lkw und Busse. Dies ist ein skandalöses Verhalten der FDP und der ganzen Bundesregierung. Bundeskanzler Olaf Scholz hätte sich mit seiner Richtlinienkompetenz gegen die FDP-Blockade widersetzen können. Mit ihrer Enthaltung zeigt sich die Bundesregierung indifferent gegenüber einem besseren Schutz von Menschenrechten, der Umwelt und dem Klima sowie mehr Gerechtigkeit entlang globaler Lieferketten.

Die FDP begründete ihre Blockade mit Verweis auf mehr Bürokratie für Unternehmen. Damit ging sie der Meinungsmache der großen Unternehmensverbände auf den Leim und ignorierte etliche Aussagen von Unternehmen, die sich immer wieder für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen hatten. Auch Fair-Handels-Unternehmen haben sich seit Beginn für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz stark gemacht. Das erhoffte Level-Playing-Field – also gerechtere Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen, die bereits jetzt schon nach sozialen und ökologischen Aspekten wirtschaften - ist mit den massiven Abschwächungen der Richtlinie jedoch weiterhin nicht wirklich gegeben.

Das EU-Lieferkettengesetz ist dennoch ein nächster wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit entlang globaler Lieferketten

Auch wenn der nun vorliegende Text zum EU-Lieferkettengesetz ein stark abgeschwächter Kompromiss mit aus unserer Sicht gravierenden Schutzlücken darstellt, wird die Richtlinie den Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima in den Lieferketten europäischer Unternehmen verbessern. Denn die Unternehmen, die unter die Richtlinie fallen, müssen zukünftig ihre Lieferketten auf Risiken für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen prüfen und bei Risiken priorisiert geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen. Im Idealfall werden diese Schäden somit gar nicht erst eintreten, sondern präventiv verhindert. Unternehmen müssen dabei auch ihre eigenen Einkaufspraktiken gegenüber ihren Lieferanten überprüfen. Mit Blick darauf, dass mächtige Unternehmen ihren Lieferanten häufig unlautere Lieferbedingungen und niedrige Preise aufzwingen, ist uns dies aus Fair-Handels-Perspektive ein besonderes Anliegen für mehr Gerechtigkeit entlang globaler Lieferketten. Anders als im deutschen Lieferkettengesetz haben trotz Abschwächungen Betroffene zudem Zugang zu Gerichten in den Mitgliedsstaaten und können auf Schadensersatz klagen. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit, da es für Betroffene bislang fast unmöglich ist, Entschädigung einzuklagen, wenn ein Unternehmen seinen menschenrechtlichen Pflichten nicht nachgekommen ist – auch wenn abzuwarten bleibt, wie gut Betroffene mit den Vorgaben in der Richtlinie tatsächlich ihr Recht einklagen werden können.

Ebenfalls ein Fortschritt zum deutschen Lieferkettengesetz, für den wir uns als Fair-Handels-Akteure besonders eingesetzt haben, ist die explizite Nennung des Rechts auf einen existenzsichernden Lohn für Arbeiter*innen sowie eines existenzsichernden Einkommens für alle, die ihr Einkommen nicht in einem Angestelltenverhältnis verdienen, wie etwa Kleinbäuer*innen. Im deutschen Lieferkettengesetz ist beides nicht der Fall, sondern lediglich das Recht auf einen angemessenen Lohn verankert. Mit Blick darauf, dass der Mindestlohn in vielen Ländern nicht existenzsichernd ist und zudem dieses Recht alle nicht angestellt arbeitenden Menschen nicht miteinschließt, schließt das EU-Lieferkettengesetz eine wichtige Lücke im Schutz des Menschenrechts für ein existenzsicherndes Einkommen.

Wie geht es weiter?

So skandalös das Verhalten der deutschen Bundesregierung ist, so erfreulich ist deshalb, dass nun eine Mehrheit für das EU-Lieferkettengesetz unter den Mitgliedsstaaten zustande kam. Denn trotz großer Schwächen, ist das EU-Lieferkettengesetz besser als keins. Als nächstes muss das EU-Parlament dem neuen Kompromisstext noch zustimmen. Dies muss in den kommenden Wochen geschehen, damit das EU-Lieferkettengesetz noch vor den EU-Wahlen im Juni dieses Jahres verabschiedet werden kann.

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