Standards und Zertifizierungen bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes
Wie wirkungsvoll das im letzten Jahr beschlossene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Risiken für Menschenrechte und Umwelt in globalen Wertschöpfungsketten reduzieren wird, wird auch stark von seiner Umsetzung abhängen. Bei der Frage, was Unternehmen leisten müssen, um die Anforderungen des LkSG zu erfüllen, wird auch über die Rolle von Standards und Zertifizierungen diskutiert. Auch beim EU-Lieferkettengesetz, welches derzeit ausgehandelt wird, werden sich diese Fragen stellen. Standard- und Zertifizierungssysteme können einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten leisten. Es ist somit sinnvoll, sie als ein Baustein bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu integrieren. Entscheidend dabei ist jedoch ihre Qualität und in welchem Umfang ihr Beitrag zu den Sorgfaltspflichten der Unternehmen anerkannt wird.
Standards und Zertifizierungen: wichtiger, aber kein hinreichender Beitrag für Sorgfaltspflichten
In einem am 13. Juni veröffentlichten Statement machen standardsetzende und zertifizierende Organisationen deutlich: „Ambitionierte und vertrauenswürdige Standard- und Zertifizierungssysteme können (…) einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten leisten und sollten als ein Element bei der Umsetzung aufgenommen werden, sie können Unternehmen jedoch nicht grundsätzlich oder pauschal von ihrer Verantwortung zur Umsetzung von vollumfänglichen Sorgfaltspflichten befreien oder diese stellvertretend für sie erfüllen.“ Auf letzteres versuchen Teile der Wirtschaft hinzuwirken. Doch für die unternehmerische Sorgfaltspflicht ist ein kontinuierlicher, mehrstufiger Prozess erforderlich, in welchem Unternehmen die Risiken in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie in ihren Lieferketten fortwährend kontrollieren und minimieren müssen. Sie müssen eigene Strukturen innerhalb des Unternehmens und entlang der Lieferketten etablieren, wie etwa Beschwerdemechanismen, und eigene Einkaufspraktiken ändern.
Es braucht klare Qualitätskriterien für Standards und Zertifizierungen
Gleichzeitig ist die Qualität von Standards und Zertifizierungen entscheidend, wenn es um ihren Beitrag zu Sorgfaltspflichten geht. Hier gibt es mit Blick auf einen nicht regulierten Zertifizierungsmarkt große Unterschiede. Es müssen entsprechend klare Qualitätskriterien sowohl für das deutsche sowie für das EU-weite Lieferkettengesetz aufgestellt werden. Standardsetzende und zertifizierende Organisationen sollten dazu verpflichtet werden, bei ihrer eigenen Arbeit Sorgfaltspflichten umzusetzen und Rechteinhaber*innen in ihre Maßnahmen miteinzubeziehen. Standards sollten über hohe Nachhaltigkeitskriterien verfügen, die Kernursachen von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Blick nehmen, wie etwa existenzsichernde Einkommen. Auch ist entscheidend, dass die Auditierung der Standards unabhängig und methodisch einwandfrei erfolgt. Damit einher geht die Frage, ob es sich um Selbst- und sogenannte second-party-Zertifizierungen handelt oder ob Standardsetzung und Zertifizierung unabhängig voneinander erfolgen.
Im Rahmen des „KMU Kompasses“, einem Unterstützungstool der GIZ und des Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten, wird derzeit ein Siegel-Kompass erarbeitet, welcher Nachhaltigkeitsstandards miteinander vergleichen wird. Inwiefern dieser Klarheit über die Qualität von Nachhaltigkeitsstandards bringen wird, wird entscheidend davon abhängen, welche Kriterien in welcher Form gewichtet und ausgewertet werden. Zur Einordnung der Ergebnisse muss die Vergleichsmethodik unbedingt transparent gemacht werden. Zudem muss deutlich werden, was die jeweiligen Standards zur Erfüllung von Sorgfaltspflichten konkret beitragen können und welchen Teil der Wertschöpfungskette sie abdecken. Es ist unklar, welche Rolle der Siegel-Kompass bei der Umsetzung des LkSG haben wird. In keinem Fall darf er dazu führen, dass besser bewertete Standards vom zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) so ausgelegt werden, dass Unternehmen durch ihre Verwendung von der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette befreit werden.
Das Statement von standardsetzenden und zertifizierenden Organisationen finden Sie hier.