Neben der Einigung zum Haushalt hat die Bundesregierung heute verkündet, dass sie das deutsche Lieferkettengesetz einschränken möchte. Die Einschränkung erfolgt im Rahmen einer sogenannten “Wachstumsinitiative”. In dem Papier mit dem Titel “Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland” werden 49 Maßnahmenpakete aufgelistet, darunter eines zu “Lieferkettensorgfaltspflichten”.
Demnach soll nur noch ein Drittel der (und damit weniger als 1.000) Unternehmen, die bisher unter das deutsche Lieferkettengesetz fallen, direkt erfasst werden. Laut Aussagen des Bundesfinanzminister Christian Lindner auf der heutigen Bundespressekonferenz soll dies ab dem 01.01.2025 gelten. Zudem bleiben die Berichtspflichten nach dem Lieferkettengesetz bis Ende des Jahres ausgesetzt. Gleichzeitig sollen alle Pflichten aus dem EU-Lieferkettengesetz zum spätmöglichsten Zeitpunkt gelten – also je nach Größe und Umsatz erst ab 2027 (für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten weltweit und 1.500 Millionen Euro Umsatz), 2028 (für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten weltweit und 900 Millionen Euro Umsatz) oder sogar erst ab 2029 (für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten weltweit).
Das Forum Fairer Handel kritisiert die Einschränkungen des deutschen Lieferkettengesetzes scharf. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist bereits gering, diese Verengung auf noch weniger Unternehmen schränkt seine Wirkung weiter massiv ein. Gleichzeitig wird der Effekt eines Level-Playing-Fields, auf den viele Unternehmen gesetzt haben, noch mehr konterkariert. Unternehmen, die bereits das Lieferkettengesetz einhalten oder noch höhere soziale und ökologische Standards einhalten, wie etwa Fair-Handels-Unternehmen, werden benachteiligt. Dabei sollte es genau andersherum sein.
Unabhängig davon, dass es fraglich ist, ob derlei Maßnahmen ein Wirtschaftswachstum ankurbeln, führt das Ziel eines Wirtschaftswachstums auf Kosten von Menschenrechten und Umweltstandards in eine Sackgasse. So bekräftigt auch die Unternehmensberaterin Madeleine Koalick in einem Interview für unsere Broschüre “Aktuelle Entwicklungen im Fairen Handel 2024” , dass Unternehmen das EU-Lieferkettengesetz stärker als Chance begreifen sollten, da Unternehmen, die ihre klimabedingten und menschenrechtlichen Risiken kennen, resilienter seien. Sie betont, dass das Gesetz, wenn es angemessen umsetzt werde, “kein Bürokratiemonster” sei, wie es von Wirtschaftsverbänden dargestellt wird.
Wir rufen die Bundesregierung auf, die angekündigten Einschränkungen fallen zu lassen. Gleichzeitig muss sie das EU-Lieferkettengesetz zügig und ambitioniert umsetzen. An Stellen, wo die EU-weite Regelung hinter dem deutschen Gesetz zurückbleibt, darf das deutsche nicht abgeschwächt werden. Dies wäre auch nicht europarechtskonform, da die EU-Richtlinie ein Absenken bereits bestehender nationaler Schutzniveaus verbietet. Ziel der Umsetzung sollte ein hoher Schutz von Menschenrechten und Umwelt sein. Dafür braucht es unter anderem auch begleitende Maßnahmen, welche etwa darauf abzielen, Kleinproduzent*innen, die Teil der globalen Lieferketten europäischer Unternehmen sind, bei der Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes zu unterstützen.