Gestern stellte die EU-Kommission die Ergebnisse des sogenannten “Omnibus-Verfahrens” vor. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur gleichzeitigen Abänderung mehrerer Gesetztestexte, das unter anderem auch das EU-Lieferkettengesetz umfasst. Mehr Informationen zu den Hintergründen des Omnibus-Verfahrens erhalten in unserem entsprechenden Blogartikel.
Inhaltliche Aushöhlung getarnt als "Bürokratieabbau"
Mit den vorgestellten Änderungsvorschlägen der EU-Kommission an drei maßgeblichen Nachhaltigkeitsregulierungen (EU-Lieferkettengesetz – CSDDD, Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD, EU-Taxonomie) wird an den Grundpfeilern elementarer Regulierungen zum Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Wertschöpfungsketten gesägt. Die im Omnibus-Verfahren dargestellten Abänderungen höhlen insbesondere das EU-Lieferkettengesetz inhaltlich aus und schränken dessen Wirkungsbereich drastisch ein. Dabei wird das Argument des Bürokratieabbaus vorgeschoben, um Sorgfaltspflichten von Unternehmen in Art und Umfang zu reduzieren. Zu den geplanten Änderungen zählen unter anderem:
- Einschränkung der Risikoprüfung auf direkte Lieferanten anstatt der gesamten Wertschöpfungskette
- Abschaffung der Verpflichtung, dass Mitgliedstaaten zivilgesellschaftliche Haftung für die Nichteinhaltung von Sorgfaltspflichten einführen müssen
- Herabsetzung der Frequenz von Sorgfaltsprüfungen bei Lieferanten von jährlich auf fünfjährlich
- Aufhebung der Verpflichtung, dass Klimatransitionspläne in Kraft gesetzt werden müssen
- Eingrenzung der Definition eines Stakeholders auf diejenigen, die „direkt betroffen“ sind sowie
- Einbezug von Stakeholdern nur noch in wenigen Schritten der Sorgfaltsprüfung
- Streichung der EU-Sanktion bei Verstößen gegen Sorgfaltspflichten in Höhe von 5 % des Jahresumsatzes
- Blockierung der Möglichkeit, dass Mitgliedsstaaten einzelne Gesetzesartikel strenger umsetzen als durch die EU vorgegeben
Befürchtungen bestätigen sich
Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse aus dem Omnibus-Verfahren bestätigen sich die schlimmsten Befürchtungen. Die geplanten Anpassungen an den Nachhaltigkeitsgesetzen übersteigen bei weitem – wie von der EU-Kommission im Vorhinein beteuert – rein bürokratische Harmonisierungen von Berichtspflichten, sondern rütteln an den Grundfesten zentraler Schutzmechanismen. Die Einschränkung auf direkte Lieferanten ist eine Abkehr des risikobasierten Ansatzes, wodurch den gravierendsten Menschenrechtsverletzungen, die häufig am Anfang von Wertschöpfungsketten auftreten, wieder weniger Aufmerksamkeit zukommt. Ohne das Recht auf Klagemöglichkeiten wird Betroffenen ein effektives Mittel zur Durchsetzung ihrer Rechte genommen. Zudem werden wichtige Schutzstandards, wie das Recht auf ein existenzsicherndes Einkommen, für besonders betroffene Menschen am Anfang der Wertschöpfungsketten wirkungslos.
Die geplanten Abänderungen an den Gesetzen sind das Ergebnis eines hochgradig intransparenten Abstimmungs- und Konsultationsprozesses, der sich insbesondere durch die mangelnde Einbindung von Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft auszeichnete. Die Kommission kommt Stimmen entgegen, die sich eine komplette Zahnlosigkeit von Nachhaltigkeitsregulierungen wünschen und positioniert sich klar für die Aufweichung von Schutzmechanismen entlang von Wertschöpfungsketten. Sie beugt sich den Interessen von Unternehmen, die Sorgfaltspflichten als unliebsame Dokumentationsarbeit abtun, obwohl viele bereits erfolgreich Sorgfaltsprozesse in ihre Unternehmensaktivitäten integrieren. Zudem wird mit den Änderungsvorschlägen ein langwieriger politischer Abstimmungsprozess gestartet, der den notwendigen Schutz von Menschenrechten und Umweltschutzstandards weiter hinausgezögert.
Wir stellen uns klar gegen jegliche Abschwächung von Nachhaltigkeitsregulierungen und engagieren uns im nun anstehenden Abstimmungsprozess auf EU-Ebene weiter für starke Rahmenwerke zu Sorgfaltspflichten. Für die anstehenden Koalitionsverhandlungen fordern wir den aktiven und starken Einsatz zur ambitionierten Umsetzung von Nachhaltigkeitsregulierungen!
Übrigens: Gemeinsam mit über 360 Organisationen weltweit setzen wir in einem gemeinsamen Staement ein starkes Zeichen gegen die geplanten Vorschläge der EU-Kommission und fordern sie auf, die über Jahre verhandelten Gesetzestexte nicht abzuschwächen. Zum Statement