Zum Tag der Menschenrechte ruft das Forum Fairer Handel alle politischen Entscheidungsträger*innen in Deutschland und der EU dazu auf, Menschenrechte konsequent durchzusetzen. Menschenrechte gelten für alle und müssen die leitende Prämisse jeder Politik sein. Sie sind kein „nice to have“, die nur beachtet werden müssen, wenn die politische und konjunkturelle Situation es gerade zulässt.
Regulierungen zu Nachhaltigkeitsstandards in Deutschland und der EU unter Druck
So steht etwa seit Wochen das deutsche Lieferkettengesetz unter Druck und wird von politischen Entscheidungsträger*innen und Wirtschaftsvertreter*innen in Deutschland als derzeit größte Belastung der Wirtschaft hochstilisiert. Nach fragwürdigen und teils skandalösen Äußerungen von Teilen der Bundesregierung brachten letzte Woche FDP und Union jeweils einen Antrag zur Aufhebung des Gesetzes im Bundestag ein. Diese wurden nach einer Plenumsdebatte dem federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales zur weiteren Beratung überwiesen. Eine finale Befassung des Bundestages wird damit in dieser Legislaturperiode nicht mehr wahrscheinlich. Laut Aussagen von Abgeordneten der SPD plant die rotgrüne Minderheitsregierung bald einen Gesetzentwurf zur Anpassung des deutschen Gesetzes an die EU-Richtlinie vorzulegen.
Auch auf Ebene werden Regulierungen zur Entwicklung einer nachhaltigeren Wirtschaft immer stärker hinterfragt. So erklärte die erst kürzlich wiedergewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Anfang diesen Monats, dass sie ein Gesetzgebungsverfahren einleiten werde, um drei der Regulierungen aus der letzten Legislaturperiode zu vereinfachen: die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen (CSDDD) und die EU-Taxonomie. Laut Aussagen der Kommissionspräsidentin soll die Komplexität von Berichtspflichten verringert werden ohne die Intentionen der Regulierungen zu beeinträchtigen.
Menschenrechte und Umweltstandards sind kein “nice to have”
Der derzeitige Diskurs, der von Teilen der Wirtschaft sowie Teilen der Opposition und Regierung in Deutschland und auch auf EU-Ebene vorangetrieben wird und strengere Nachhaltigkeitsstandards hauptsächlich als Belastung für Unternehmen darstellt, ist ein verheerendes Signal für eine dringend notwendige sozial und ökologisch nachhaltigere Wirtschaft und alle Akteure, die sich bereits in diese Richtung auf den Weg gemacht haben. Anstatt sich von kurzfristigen Unternehmensinteressen leiten zu lassen, sollten sich alle vor Augen führen, warum die Regulierungen auf den Weg gebracht wurden. Das Lieferkettengesetz etwa dient der Durchsetzung grundlegender Menschenrechte und Umweltstandards und zeigt bereits erste Wirkung. Wirksam umgesetzt, ist es auch kein “Bürokratiemonster”, wie es von Teilen der Wirtschaft dargestellt wird.
Viele Unternehmen haben sich bereits auf den Weg gemacht – dies betrifft nicht nur Vorreiter wie Fair-Handels-Unternehmen, für die die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards schon seit langem zur Unternehmenspraxis gehört. Diese Unternehmen erhoffen sich vom deutschen und jetzt kommenden EU-Lieferkettengesetz ein Level-Playing-Field. Anstatt auf Kosten von Menschenrechten und Umweltstandards und zugunsten von kurzfristigen Unternehmensinteressen Wahlkampf zu betreiben, sollten alle demokratischen Parteien in Deutschland sich dafür einsetzen, dass das EU-Lieferkettengesetz schnell, wirksam und kohärent abgestimmt mit anderen Nachhaltigkeitsregulierungen (wie der CSRD) in deutsches Recht überführt wird, ohne dabei das Schutzniveau des deutschen Gesetzes abzusinken.