Agroforst und Fairer Handel - eine neue Perspektive für Kaffeebäuer*innen in Burundi

Bild: WeltPartner eG

Die WeltPartner eG geht seit 2019 neue Wege im Fairen Handel: Für die Ravensburger Fair Trade Genossenschaft ist ihr Engagement im ostafrikanischen Land Burundi beispielhaft und zukunftsweisend.

Kaffeeanbau in Burundi - Ausgangslage und Notwendigkeit des Umstiegs auf ökologischen und zugleich fair gehandelten Kaffee

Das mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 260 USD pro Person ärmste Land der Welt ist zu 70 % vom Kaffeeanbau abhängig. Trotzdem gab es noch bis 2014 keinen fair gehandelten Kaffee aus Burundi - Grund genug für WeltPartner, sich dort intensiv zu engagieren. Aus dieser Partnerschaft entstand nicht nur der weltweit erste faire Kaffee aus Burundi, sondern auch ein Pilotprojekt, das die Umstellung von zwei Kaffeekooperativen auf den ökologischen Landbau als Ziel hatte. Mit Unterstützung des Anbauverbandes Naturland wurden etwa 700 Kleinbauernfamilien im Bio-Anbau beraten – das Ergebnis war der Import des ersten fair gehandelten Bio-Kaffees aus Burundi im Jahr 2021 durch WeltPartner. Doch war von Anfang an klar, dass es den Partner*innen darum geht, nicht nur den Kaffeeanbau ökologisch zu gestalten, sondern die gesamten Flächen der Kleinbauernfamilien – so winzig diese mit 0,5 ha im Durchschnitt auch sind – im Vergleich hierzu haben Kleinbauernfamilien in Lateinamerika für ihren Kaffeeanbau im Durchschnitt etwa 2-3 ha zur Verfügung. Daher wurde bewusst auch eine Bio-Zertifizierung gemäß den Richtlinien von Naturland und deren umfassenden Beratungsansatz gewählt. Denn für WeltPartner ist es eindeutig, dass 0,5 ha Land viel zu klein sind, um trotz des Erhalts von fairen Preisen so viel Kaffee anzubauen, um damit ein ausreichendes Familieneinkommen zu erwirtschaften.

Leider sieht das die Weltbank komplett anders, denn sie propagiert und fördert seit Jahren in Burundi die Intensivierung des konventionellen Kaffeeanbaus. Damit treibt sie die Kleinbauernfamilien noch mehr in die Abhängigkeit von einer guten Kaffeeernte und volatilen Weltmarktpreisen. Für WeltPartner ist solch ein Denken kurzsichtig und führt in die Sackgasse - insbesondere, da in dem bevölkerungsreichen Land die individuellen Anbauflächen nicht ausgeweitet werden können und die Ernährungssouveränität trotz bester klimatischer Bedingungen ein großes Problem darstellt. Hinzu kommt, dass aufgrund von extensiven Rodungen nur noch 6 % der ursprünglichen Waldfläche vorhanden ist. Entsprechend verbreitet ist das Problem der Bodenerosion, welche die fruchtbaren Böden der Kleinbauernfamilien, in die Täler wegschwemmen lässt.

Chancen und Vorteile des Agroforstprojektes für Mensch und Umwelt

In solch einer schwierigen Ausgangslage entstand bei WeltPartner, einem der Gründungsmitglieder des Forum Fairer Handel, die Idee, den ökologischen Kaffeeanbau in Burundi einzuführen. Aber nicht wie bisher üblich zur Förderung der Kaffee-Absatzzahlen für die Bäuer*innen in Burundi, sondern in ein ganzheitliches System eingebettet. Dieses startete 2019 und hat zum Ziel, den Kleinbauernfamilien in erster Linie eine gesunde Eigenversorgung mit selbst angebauten landwirtschaftlichen Bio-Erzeugnissen zu ermöglichen. Dies wird erreicht mit der klaren Priorisierung des ökologischen Anbaus von Frucht- und Gemüsesorten als wichtige Nahrungsquelle sowie als nährstoffbringender Bodendecker.

Neben Bananenstauden und z.B. Papaya-Bäumchen werden hohe, schattenspendende Bäume wie Ficus, Neem, Grevillea und weitere fünf Arten gepflanzt. Diese kühlen den Boden und bringen Nährstoffe für z.B. Maniok, Yams, Mais und andere angebaute Gemüsesorten. Auch bieten sie sie den für den ökologischen Anbau von Arabica-Kaffee notwendigen Schatten. Und schließlich kann deren Holz auch für den Bau von Häusern verwendet werden. Für die Bäuer*innen ist inzwischen klar, dass der Nutzen der Bäume nicht in der Nutzung als Brennholz liegt, sondern Grundlage für eine ökologische, bestmögliche Nutzung ihrer kleinen Flächen zur Eigenversorgung und zur Hervorbringung einer “cash crop” mit Kaffee ist. Das ist der große Erfolg des Agroforst-Projektes, das WeltPartner mit fachlicher Unterstützung von Naturland und finanzieller Unterstützung der Landesregierung von Baden-Württemberg nun als “Best-Practice-Beispiel” etabliert hat. Und nicht nur die Bäuer*innen sind begeistert – auch die reinen Zahlen lassen sich sehen:

Von dem Agroforst-Projekt profitieren inzwischen rund 11.000 Familien (bei einer üblichen Familiengröße sind dies rund 77.000 Personen) aus 18 Fair Trade zertifizierten Kooperativen des burundischen Kaffeeanbauverbandes COCOCA. Sie bauen i.d.R. acht verschiedene, für den Agroforst-Aufbau geeignete, Baumarten an – so wurden seit dem Start des Projektes 273.722 Schattenbäume, 34.425 Papaya-Bäumchen und 31.570 Bananenstauden angepflanzt.

Der größte Erfolg des Aufbaus der kleinen Agroforstsysteme liegt in der Verbesserung der Ernährungssicherheit, bei gleichzeitiger Stabilisierung des Familieneinkommens durch Verkauf des geernteten Kaffees zu fairen Preisen. Hinzu kommt, dass das erfolgreiche Projekt einen wichtigen Beitrag sowohl zur Anpassung an den Klimawandel als auch zur Mitigation dessen Folgen leistet.

Eine weitere positive Auswirkung des Agroforstprojektes vor Ort ist der Modellcharakter der Agroforstsysteme, die über Multiplikatoreneffekte den Vorteil dieser Art des Anbaus für die Kleinbäuer*innen aufzeigen können und die Bewirtschaftung der Flächen in Burundi ökologischer, sozial gerechter und vor allem ernährungssichernder gestalten können.

Um jedoch das Projekt erfolgreich zu gestalten, war eine intensive Beratung hinsichtlich der Anpflanzungen notwendig, um kleine funktionierende Agroforstsysteme bei den 11.000 Kleinbauernfamilien aufzubauen. Dazu war nicht nur Naturland mit seinen Berater*innen im Auftrag von WeltPartner oft in Burundi, sondern es bedurfte einer großen gemeinsamen Anstrengung der weiteren Kooperationspartner*innen – die Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg sowie die Universität der burundischen Hauptstadt Bujumbura. Dadurch konnten in den 18 Kaffee-Kooperativen landwirtschaftliche Berater*innen eingearbeitet und 330 Modell-Farmer*innen als Multiplikator*innen ausgebildet werden. Sowohl verschiedene Workshops, Besuche bei den Bäuer*innen und auf deren Feldern als auch Gespräche mit den Kooperativen-Verantwortlichen und allen Projektbeteiligten führten zu dem bisherigen großen Erfolg des Agroforst-Projektes.

Ausblick

Mit diesem „Best-Practice-Beispiel“ zeigt der Faire Handel von WeltPartner und seinen Partner*innen in Burundi, dass die Förderung des ökologischen Anbaus sich definitiv nicht nur auf die Absatzmöglichkeiten ausrichten sollte, sondern auf einen für die Menschen gesunden, ganzheitlichen Anbau, welcher der Eigenversorgung Vorfahrt gibt und den Verkauf von fair zertifiziertem Kaffee nur ergänzend als Einkommensquelle für die Kleinbauernfamilien mit einbezieht  – ein zukunftsträchtiges Modell für den Fairen Handel!

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