Wir sind jung und brauchen die Welt!

Autorin
Silke Bölts
Referentin für Klimapolitik und Fairen Handel

In diesem Jahr steht die Faire Woche unter dem Motto Klimagerechtigkeit aus der Perspektive junger Menschen. Dabei ist Klimagerechtigkeit nicht nur für zukünftige Generationen von Bedeutung, sondern war schon immer wichtig. Bereits viel zu lange bestehen systemische Ungerechtigkeiten. Die Klimakrise bedroht bereits heute die Lebensgrundlagen vieler Menschen – dabei sind unsere immer heißer werdenden Sommer und die immer häufiger auftretenden Starkregen und Überschwemmungen wenig, im Vergleich zu dem, was in anderen Ländern bereits Alltag ist und dem in unserer medialen Landschaft zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. 

Vor allem junge Menschen leiden unter Klima-un-gerechtigkeit

Dennoch: Junge Menschen werden noch am längsten unter der Erderhitzung leiden und setzen sich dementsprechend für ihre Zukunft ein – genau dafür bietet der Faire Handel einen Rahmen. Denn im Fairen Handel gibt es bereits mehrere Projekte, die sich explizit mit der Umsetzung von Klimagerechtigkeit durch junge Menschen befassen. In diesem Blog-Beitrag berichte ich von einigen landwirtschaftlichen Beispielen aus Honduras, Guatemala und Mexiko, und stelle zudem Projekte im Kommunikations- und Bildungsbereich aus Deutschland vor. 

Was ist Klimagerechtigkeit?

Das Konzept der Klimagerechtigkeit ist nicht neu. Zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Globalen Süden haben es schon vor über zwanzig Jahren entwickelt. Es begreift die Klimakrise nicht nur als ökologische, sondern vielmehr auch als soziale Krise. Denn die Ungerechtigkeiten, die zur Erderhitzung führen, fußen auf systemischen gesellschaftlichen und politischen Problemen. Der (europäische) Kolonialismus ist ein zentraler Teil dieser Problemlage und wurde immer noch nicht ausreichend aufgearbeitet. Die Folgen sind viele miteinander zusammenhängende soziale und ökologische Krisen. 

Klima-un-gerecht ist, dass vor allem die Länder des Globalen Nordens historisch (und aktuell) für einen Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Dabei leiden die Länder des Globalen Südens viel stärker und bereits seit einiger Zeit unter den Folgen der Erderhitzung. Gleichzeitig haben sie aufgrund von geringeren finanziellen Kapazitäten weniger Möglichkeiten, sich an die Folgen der Klimakrise anzupassen, um mit den sich ändernden klimatischen Bedingungen zurechtzukommen oder dadurch entstandene Schäden zu mindern. Zugleich haben die am meisten betroffenen Länder im Schnitt immer noch geringere Treibhausgasemissionen – es sind die reichen Länder, die ihre Emissionen drastisch reduzieren müssen. 

Wir brauchen nicht nur die Bekämpfung der Klimakrise, sondern einen Systemwechsel hin zu einer klimagerechten, nachhaltigen und fairen Welt. 

Wir brauchen eine klimagerechte Gesellschaft

Verhandlungen zum Klimaschutz finden auf internationaler Ebene statt, wobei dort Ländern des Globalen Südens nach wie vor geringeres (geo-)politisches Gewicht zukommt. Viele Klimaaktivist*innen leben in Ländern, in denen der Zivilgesellschaft weniger Freiräume gewährt und Menschenrechte (z.B. Meinungs- und Versammlungsfreiheit) beschnitten werden. Das Einstehen für die eigenen Rechte ist oft auch sehr gefährlich. Diese zunehmenden Restriktionen werden unter dem Begriff “Shrinking Spaces” zusammengefasst. Der sich stetig verkleinernde Handlungsraum für zivilgesellschaftliche Organisationen ist weltweit ein Problem, auch in Deutschland. 

Die Fair Handels-Bewegung fordert politische Veränderung hin zu einer klimagerechten Gesellschaft. Dafür braucht es vielfältige und sichere Räume zum Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Der Einsatz für Klimagerechtigkeit ist nicht nur eine Freizeitbeschäftigung. Viele Klimaaktivist*innen engagieren sich aus Überlebenswillen – zum Schutz ihrer Lebensgrundlage. Andere Menschen können sich nicht engagieren, weil sie sich um noch akutere Probleme des täglichen Lebens kümmern müssen. 

Faire Woche 2024: Fair. Und kein Grad mehr.

Die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland findet jedes Jahr in den letzten beiden Septemberwochen statt – 2024 unter dem Motto "Fair. Und kein Grad mehr! – #fairhandeln für Klimagerechtigkeit weltweit". Bereits in der Fairen Woche 2023 wurde gezeigt, dass die Klimakrise nicht nur eine ökologische, sondern vor allem auch eine soziale Herausforderung ist: Junge Menschen, die wenig bis nichts zu der Entstehung der Klimakrise beigetragen haben sind in den nächsten Jahren und Jahrzehnten am stärksten davon betroffen. Deshalb setzdie Faire Woche 2024 vor allem junge Menschen und Projekte in den Fokus, welche Mut machen und die zeigen, dass sich junge Menschen weltweit für eine gerechtere und lebenswerte Welt engagieren und welche Rolle der Faire Handel dabei spielen kann. Veranstaltet wird die Faire Woche vom Forum Fairer Handel in Kooperation mit Fairtrade Deutschland und dem Weltladen-Dachverband. Die Organisation der bundesweit rund 2.000 Veranstaltungen übernehmen rund 1.000 verschiedene lokale Akteure – darunter Schulen, Fairtrade-Towns oder auch Privatpersonen.

Mehr erfahren

Nutzt eure Privilegien!

Wer die Möglichkeit hat, sollte seine Privilegien und Ressourcen nutzen und sich fürs Gemeinwohl einsetzen. Wichtig dabei ist, sich nicht nur für die Anliegen der eigenen Gemeinschaft einzusetzen, sondern eine globale Perspektive einzunehmen. Zuerst heißt es Verantwortung für die Auswirkungen des eigenen Handels (auch der eigenen Regierung, des eigenen Landes) zu übernehmen. Zudem ist es entscheidend, sich solidarisch mit Klimaaktivist*innen im Globalen Süden zu verhalten und sie und ihre Anliegen und Positionen zu unterstützen. Hierzu könnt ihr euch über ihre Kampagnen informieren (siehe Links am Ende der Seite), ihre Inhalte (bspw. in den Sozialen Medien) teilen, mit ihnen in Kontakt treten und ihnen ggf. Öffentlichkeit bieten (z. B. durch Einladungen zu Veranstaltungen). Auch eine logistische oder finanzielle Unterstützung ist möglich, um zur Klimagerechtigkeit beizutragen, z.B. durch den Kauf oder Verkauf von Produkten des Fairen Handels. 

Kooperativen in der Klimakrise 

Viele der Fair-Handels-Kooperativen sind durch die Klimakrise stark beeinträchtigt. Dürre vernichtet die Ernte, Starkregen spült fruchtbare Erde weg, Hitze erschwert das Arbeiten. In der Landwirtschaft treten auch vermehrt Pflanzenkrankheiten und Schädlinge auf. Dies sind nur einige Beispiele, mit der die landwirtschaftlichen Kooperativen versuchen, umzugehen. 

Auch handwerkliche Betriebe sind betroffen, wenn sie z.B. aufgrund von zu viel Regen ihre Naturprodukte, wie geflochtene Körbe, nicht ausreichend trocknen können, was Qualitätsprobleme, z.B. durch Schimmel, nach sich zieht. Aufgrund der Hitze wird die Arbeitszeit manchmal in die kühleren Morgen- oder Abendstunden verlegt, was allerdings Probleme beim Transport oder bei der Kinderbetreuung verursachen kann. 

Kooperativen versuchen, sich anzupassen, indem sie z.B. klimaangepasste Pflanzensorten verwenden oder Schattenbepflanzungen vornehmen. Viele sind zudem darin bestrebt, ihre ohnehin schon geringen Emissionen weiter zu senken, indem sie etwa Solar-Folientunnel zum Trocknen von Kaffee oder Kakao anlegen. 

Auch bei den Fair-Handels-Importeuren in Deutschland werden Klimaschutzmaßnahmen durchgeführt. So gibt es zum Beispiel SolardächerJob-Räder oder ein Blockheizkraftwerk

Fairer Handel, Klimagerechtigkeit und junge Menschen - Beispiele für Projekte im Globalen Süden

Fair-Handels-Kooperativen arbeiten daran, in einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Art und Weise zu wirtschaften. 

  • Wirtschaftlich, weil angemessene Löhne an Mitarbeitende ausgezahlt werden. 
  • Sozial, weil auch junge Menschen einen Job erhalten, sich dadurch ihren Lebensunterhalt sichern und sich eine Zukunft aufbauen können. 
  • Und ökologisch, weil ein Großteil der Fair-Handels-Produkte bio-zertifiziert ist. 

Oft sind die wirtschaftlichen Situationen der Kooperativen bereits herausfordernd und die Klimakrise verschlimmert die Situation. Fair-Handels-Unternehmen finden mit ihren Handelspartnern immer wieder Lösungen, um mit den neuen Herausforderungen umgehen zu können.

Junge Menschen als Schlüsselakteure

Das Fair-Handels-Unternehmen GEPA kooperiert beispielsweise mit vielen Handelspartnern, die Projekte mit und für junge Menschen durchführen. So fördert der Faire Handel neue Zukunftsperspektiven. Sei es, weil junge Menschen Land und Arbeitsmaterial bekommen und damit produzieren können, oder weil Fortbildungen und Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden. Durch fair bezahlte Arbeitsplätze werden Existenzgrundlagen geschaffen. Dadurch sind Menschen nicht gezwungen, auf der Suche nach einem besseren Einkommen ihre Heimat zu verlassen. Nachfolgend werden einige Projekte von Kooperativen vorgestellt, die genau daran arbeiten. 

ASOPROSAN - Verband der Kaffeeproduzent*innen von San Andrés

Die Kooperative ASOPROSAN (Asociación de Productores de Café de San Andrés) in Honduras arbeitet mit der GEPA zusammen. In der Kooperative engagiert sich eine neue Generation junger Kaffee-Bäuer*innen. 

Vor ihrer Tätigkeit bei ASOPROSAN hatten einige der neuen Jungbäuer*innen aufgrund mangelnder Zukunftsperspektiven überlegt, in die USA auszuwandern, um dort nach Jobs zu suchen. ASOPROSAN konnte sie durch das Angebot an Gerätschaften, Kursen und Beratung sowie günstigen Krediten doch überzeugen, in der Heimat zu bleiben und sich der Landwirtschaft zu widmen. Inzwischen konnte die erste Kaffeeernte eingeholt werden, deren Bohnen auch bei Branchenwettbewerben prämiert wurden. Zum Schutz der Kaffeepflanzen vor zu großer Hitze arbeitet die Kooperative mit dem Agroforst-System. Dabei werden höher wachsende, Schatten spendende Forst- und Obstbäume zwischen die Kaffeesträucher gepflanzt, die den Halbschatten bevorzugen. Neben dem Kaffeeanbau werden auch Bienen gehalten, die in der Kaffeeblüte reichlich Nahrung finden. So können auf der selben Fläche nicht nur Kaffeekirschen, sondern auch Honig und Obst produziert werden. Dies generiert Nebeneinkünfte, was schlechte Ernten etwas ausgleichen kann. 

Mehr Informationen zu ASOPROSAN

Mehr Informationen zum Thema Agroforst und Fairer Handel

Guaya‘b, Guatemala

Auch die Kooperative Guaya’b in Guatemala bestärkt junge Menschen, den Weg in die Imkerei und den Kaffeeanbau einzuschlagen. Das Kooperativen-Mitglied Carlos Gaspar Salucio beispielsweise kehrte in seine Heimat zurück. Guaya’b stellte ihm acht Bienenvölker und weiteres Arbeitsmaterial für die Imkerei zur Verfügung. Mit dieser wirtschaftlichen Grundlage wurden dann auch zuvor erdachte Auswanderungspläne überflüssig. Durch Fortbildungen kann Carlos Gaspar seine Ernte und somit sein Einkommen weiter steigern. 

Mehr Informationen zu Guaya’b und Carlos Gaspar Salucio

COSURCA - Kooperativengesellschaft im Süden von Cauca in Kolumbien 

Die Kooperative COSURCA ist ähnlich wie oben beschrieben auch im Kaffeeanbau und in der Imkerei aktiv. Zusätzlich bietet sie Bildungsangebote an, die von jungen Leuten gut angenommen werden. So organisiert die Kooperative Filmvorführungen und Diskussionsabende, die in der sehr ländlichen Gegend von besonderem Wert sind, da es dort keine vergleichbaren Angebote gibt. Doch die Kooperative geht noch weiter: Sie plant eine Agrar-Universität und möchte zudem im Tourismus aktiv werden. 

Mehr Informationen zur Kooperative COSURCA

Beispiele für Projekte zu Klimagerechtigkeit und junge Menschen in Deutschland

Ich möchte in diesem Blogbeitrag beim Thema “Klimagerechtigkeit und junge Menschen in Deutschland” vor allem Bildungs- und Kommunikationsprojekte vorstellen. 

FairAllies: Das junge Aktionsteam der Fairen Woche

Die FairAllies sind eine Gruppe junger Engagierter im Alter von 18 bis 26 Jahren. Im Rahmen ihres Engagements zur Fairen Woche 2024 haben sie eine Klimafair-Challenge entwickelt, um andere junge Menschen auf den Fairen Handel, Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit aufmerksam zu machen. Auf dem Blog der Fairen Woche veröffentlichen sie ab dem 13. September informative Challenge-Posts zum Thema Ernährung, Mobilität und vielem mehr – immer mit Bezug zu Nachhaltigkeit und Fairem Handel. Zu Hause nachmachen ist ausdrücklich erwünscht und für die besten gibt es außerdem etwas zu gewinnen. 

Zum Interview mit FairAlly Lilli Wiebke

Fair. Not judgy. 

Fair. Not judgy. – Mach dein Ding und mach es fair! Solautete das Motto der gleichnamigen Kampagne des Forum Fairer Handel, die sich vor allem an junge Menschen ("Gen Z") richtete. Über Instagram-Posts wurde die Botschaft vermittelt: Du musst nicht perfekt sein und kannst gleichzeitig einen Unterschied machen. Produkte, die 100 % fair sind, erreichen genau das, was du willst: Einen Beitrag zu einer faireren, sozialeren und ökologisch-gesunden Welt. Die dazugehörige Broschüre “Zukunft fair” erläutert die zehn Prinzipien des Fairen Handels, anschaulich, aktuell und ansprechend, mit jungen Beispielen. 

Übrigens: Die Kampagne wird 2025 fortgesetzt.

Junges Advocacy-Training für Globale Gerechtigkeit 

Und zum Abschluss des Blog-Beitrags noch ein Cliffhanger: Das Forum Fairer Handel schreibt im Herbst 2025 ein junges Advocacy-Training für Globale Gerechtigkeit aus. In dem Trainingsprogramm lernen junge Menschen die Grundlagen erfolgreicher Advocacy-Arbeit kennen und wenden das Gelernte gemeinsam zum Thema Globale Gerechtigkeit an. Sei gespannt und stay tuned – die Vorbereitungen laufen bereits. 

Es gibt noch viele weitere Projekte, die hier noch nicht erwähnt wurden. Schau doch mal in den Kalender der Fairen Woche - vielleicht findest du hier eine spannende Veranstaltung zum Thema in deiner Nähe! Abonniere uns und die Faire Woche auf Instagram, um auf dem Laufenden zu bleiben. Du kannst übrigens auch Klimagerechigkeits-Aktivist*innen auf Instagram folgen, um ganz nebenbei ein bisschen neuen Content in deinen Feed gespült zu bekommen. Hier sind ein paar Beispiele: 

  • Rahmina Paullete (@rahmina_paullete) ist eine engagierte kenianische Klimaaktivistin. Sie leitet die Kampagne #LetLakeVictoriaBreatheAgain, die sich für die Regeneration des Viktoriasees einsetzt, und ist die Gründerin der Kisumu Environmental Champions. Rahmina ist eine Jugendkoordinatorin bei Fridays For Future Africa und engagiert sich in verschiedenen globalen Klimainitiativen. Sie ist außerdem Koordinatorin von Climate Live, Botschafterin für die Climate Clock und Advokatin eines nachhaltigen Lebensmittelsystems bei Food at COP. Darüber hinaus ist Rahmina Mitglied der Arbeitsgruppe Wasser bei YOUNGO und engagiert sich gegen den Klimawandel bei der Wangari Maathai Foundation.
  • Patience Nabukalu (@patiencenabukalu) ist eine ugandische Klimagerechtigkeitsaktivistin, die sich für das Ende des Projekts zur ostafrikanischen Ölleitung einsetzt (Stop EACOP!-Kampagne, East African Crude Oil Pipeline). 
  • Das ClimateJusticeBerlin-Kollektiv (CJB) (@climatejusticeberlin) ist eine Gruppe von rassifizierten und marginalisierten Personen mit einer Schwarzen Mehrheit. CJB setzt sich für Klima- und Umweltgerechtigkeit ein und stellt sich dabei gegen weißen Klimaaktivismus, der Ungleichheiten und Hierarchien aufrechterhält. Das Kollektiv ist vor allem in Berlin, aber auch darüber hinaus aktiv. Es organisiert regelmäßig Workshops, Community Gatherings und Care Events für Aktivist*innen. Zuvor war das Kollektiv unter dem Namen Black Earth bekannt.

Cookies & Drittinhalte

Tracking (Matomo)
Google Maps
Videos (YouTube und Vimeo)

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

Speichern Alle akzeptieren