Solidarisch durch die Krise

Symbolbild Solidarität in Krisenzeiten

Foto: Tara Projects

Autorin
Katrin Frank

Die Covid-19-Pandemie macht dem Fairen Handel schwer zu schaffen. Dennoch können sich Produzent*innen auch in der Krise auf verlässliche und solidarische Handelsbeziehungen verlassen.

Die Welt wird weiterhin von einem Virus in Atem gehalten, das Gesellschaften noch stärker in Gewinner und Verlierer, Mächtige und Machtlose teilt. Wie die Pandemie strukturelle Ungleichheiten verstärkt, zeigt sich auch in den internationalen Handelsbeziehungen: Die Menschen am Anfang der Lieferketten insbesondere im Globalen Süden trifft sie extrem hart. Doch im Fairen Handel können sich Produzent*innen auch in der Krise auf verlässliche und solidarische Handelsbeziehungen verlassen. Fair-Handels-Unternehmen zeigen damit, wie ein zukunftsfähiger Handel aussehen kann.

Drastische Auswirkungen der Pandemie im Globalen Süden

In vielen Ländern des Globalen Südens sind die Einnahmen durch den Verkauf von Lebensmitteln oder Handwerksprodukten infolge der Pandemie weggebrochen, die Arbeitslosigkeit ist rasant gestiegen. Dazu tragen Ausgangssperren, die Abwesenheit von Touristen, aber auch Lockdowns bei. Aufgrund geschlossener Werkstätten, verteuerter Rohstoffe und Transportverzögerungen gestalten sich Produktion und Vermarktung vielerorts schwerer. Grenzschließungen bringen den Export komplett zum Erliegen. Es gibt in vielen Ländern kaum oder keine staatliche Unterstützung, die öffentliche Gesundheitsversorgung ist oft mangelhaft. In einer solchen Situation zeigt sich die große Stärke des Fairen Handels: Weltweit profitieren von ihm rund 2,5 Millionen Produzent*innen mit ihren Familien. Für viele von ihnen ist er während der Pandemie die einzige Einnahmequelle.

Solidarität auf vielen Wegen

Im konventionellen Handel sind kurzfristige Auftragsstornierungen oder die Aussetzung von Handelsbeziehungen während der Pandemie keine Seltenheit. Im Fairen Handel ist das oberste Gebot, gemeinsam durch die Krise zu kommen. Fair-Handels-Unternehmen stehen ihren Partnern mit allen verfügbaren Ressourcen zur Seite. In Kenntnis der schwierigen Lage stornieren sie keine Aufträge, sondern suchen nach individuellen Lösungen, weiten bei Bedarf die Vorfinanzierung von Lieferungen oder die Verwendung der Prämien aus, um ihren Handelspartnern „Luft“ zu verschaffen. Parallel bemühen sie sich um neue Verkaufswege, verstärken den Online-Handel und suchen nach Produktalternativen.
Der Weltladen-Dachverband rief etwa die Aktion #fairwertsteuer aus: Mit dem Fokus auf Produzent*innen  von Kunsthandwerk zahlten Weltläden in Deutschland die Einsparungen der Mehrwertsteuersenkung 2020 in einen Fonds ein, um Nothilfe zu leisten und die Fair-Handels-Strukturen zu erhalten. So konnten über 500.000 Euro an 110 Handelspartner in 28 Ländern ausgezahlt werden. Viele Fair-Handels-Unternehmen haben zudem eigene Fonds eingerichtet und Spendenaktionen organisiert, um ihre Handelspartner zu unterstützen.
Auf Initiative von Fairtrade International und des Forum Fairer Handel hat das BMZ die Covid-19-Soforthilfe ins Leben gerufen. Im Herbst 2020 wurden darüber 13 Millionen Euro investiert, um nachhaltig produzierende kleinbäuerliche Betriebe im Globalen Süden zu unterstützen. Etwa 250 Produzentenorganisationen in 25 Ländern konnten bislang von der Hilfe profitieren. Im Juli 2021 wurde die Soforthilfe für den fairen Handel mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 7,1 Millionen Euro verstärkt. Kurzum, es wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die über Jahrzehnte aufgebauten Strukturen des fairen Handels im Globalen Süden zu stabilisieren.

Umsatzeinbrüche beim Fairen Handel in Deutschland

Doch auch beim fairen Handel in Deutschland hat die Krise ihre Spuren hinterlassen. Einige Zahlen verdeutlichen dies: Nach Jahren zweistelliger Zuwächse verkündete Fairtrade Deutschland für das Geschäftsjahr 2020 Umsatzeinbußen von fünf Prozent gegenüber 2019. Infolge des ersten Lockdowns musste die GEPA, das größte Fair-Handels-Unternehmen in Deutschland, zweistellige Umsatzrückgänge im Außer-Haus-Service und bei den Weltläden und Weltgruppen verschmerzen. Die Hälfte der Belegschaft musste mehrere Monate in Kurzarbeit gehen. Fair-Handels-Unternehmen, die ihre Produkte nur über eigene Online-Shops und Weltläden vertreiben, hat es noch schwerer getroffen. Insgesamt mussten die Fair-Handels-Unternehmen in Deutschland 2020 einen Umsatzrückgang von 8,4 Prozent verkraften. Die Weltläden verzeichnen Umsatzeinbußen von 13,3 Prozent. Geschäftsaufgaben ließen sich jedoch verhindern.
Auch für 2021 rechnen die großen Fair-Handels-Unternehmen mit Umsatzrückgängen. Diejenigen unter ihnen, die mit Handwerksprodukten handeln, müssen noch mehr kämpfen. Doch die Krise hat auch zu Solidarität unter den Fair-Handels-Akteuren in Deutschland geführt. So boten Fair-Handels-Unternehmen wie El Puente und WeltPartner ihren Kunden im Online-Shop die Möglichkeit, den lokalen Weltladen wie beim normalen Einkauf zu unterstützen – die übliche Handelsmarge wurde weitergegeben.

Ein fairer Neustart ist notwendig

Die Corona-Pandemie und die Klimakrise zeigen es deutlich: Wir befinden uns in einem Zeitalter multipler systemischer Krisen. Beide verstärken bestehende Ungerechtigkeiten und zeigen, wie wichtig der faire Handel als solidarische Alternative zum bestehenden – auf Ausbeutung basierendem – Wirtschaftssystem ist. Aktuell sehen wir aber auch, wo die Grenzen des fairen Handels innerhalb dieses Systems liegen. Unternehmen, die sich solidarisch mit ihren Partnern zeigen und Menschen und Umwelt generell über den Profit stellen, haben im bestehenden Wirtschaftssystem das Nachsehen. Ein untragbarer Zustand, da unsere Wirtschafts- und Lebensweise so offensichtlich an planetare Grenzen stößt und immer größere Ungleichheit produziert. Ein fairer Aufbruch ist notwendig, dessen Ziel ein zukunftsfähiges Wirtschafts- und Handelssystem sein muss. Aus Sicht des Forum Fairer Handel bedarf es dafür dreier Säulen: eine Wirtschaft, die Menschen und Umwelt vor den Profit stellt; Klimagerechtigkeit und die Förderung bäuerlicher Landwirtschaft weltweit sowie eine internationalen (Handels-)Politik, die ein menschenwürdiges Leben für alle ermöglicht. Die Prinzipien des fairen Handels können dabei als Blaupause dienen.
Dies wird nicht alleine über eine Steigerung der Umsatzzahlen für fair gehandelte Produkte gelingen, sondern braucht veränderte politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Deshalb macht sich das Forum Fairer Handel dafür stark, dass die neue Bundesregierung sich an solchen Fragen der Zukunftsfähigkeit messen lassen muss.

 

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