Die Bedrohung durch die Klimakrise wird auch in Deutschland immer deutlicher spürbar. Gleichzeitig ändert sich an unserer Art, zu wirtschaften und zu konsumieren recht wenig. Wie ist diese Diskrepanz aus psychologischer Sicht zu erklären?
Zunächst einmal finde ich es wichtig, bei dieser Frage nicht fälschlich zu psychologisieren: Hinter dem unzureichenden Handeln für Umwelt und Klima stehen in sehr vielen Fällen vor allem handfeste finanzielle und Machtinteressen. Diese werden sicherlich aber davon unterstützt, dass es uns als Menschen oft noch recht leichtfällt, die desaströsen Auswirkungen der Klimakrise aus unserer Alltagswahrnehmung zu verdrängen.
Und: Selbst, wenn Menschen das volle Ausmaß der Krisen bewusst wird, wissen viele nicht recht, was sie als Einzelperson überhaupt zur Problemlösung beitragen können. Viele fühlen sich eher ohnmächtig und hilflos. Wirksame und machbare Handlungsmöglichkeiten, die über individuelle Konsumveränderungen hinausgehen, sind vielen nicht bekannt oder sie erscheinen uns aufwändig und ungewohnt.
Dem Gefühl, als einzelne*r machtlos gegenüber diesem riesigen globalen Problem zu stehen, kann ich allerdings die gute Nachricht entgegensetzen, dass unsere Handlungsmöglichkeiten in den allermeisten Fällen viel größer sind als wir denken. Es würde z.B. schon enorm helfen, wenn wir Klima und Ökologie konsequent ernst nehmen und in allen Lebenswelten, in denen wir uns aufhalten mitdenken und einbringen: Im Beruf, im Hobby, in der Familie und im Freundeskreis, in der Finanzplanung und in der Kommunikation. Besonders wirksam ist dies an Orten und in Momenten, in denen wir in Gruppen aufeinandertreffen. So kann es uns gelingen, soziale Normen zu verändern und dass der Maßstab, was als „normal“ gilt, sich schrittweise hin zu nachhaltigem Handeln verschiebt. Diese sozialen Normen sind psychologisch betrachtet von sehr hoher Bedeutung, zumal sie anderen in der Folge Mut und vielleicht auch etwas Druck machen, mitzuziehen und den Anschluss nicht zu verpassen.
Ein solches Aktivwerden und Mitdenken hat übrigens auch diverse Vorteile für die psychische Gesundheit: Es kann unsere Zufriedenheit und das Erleben von Eingebundensein begünstigen. Insbesondere zweiteres ist auch dafür entscheidend, um Krisen und Extremwetterereignisse gesünder zu verarbeiten. Wer sich heute bereits mit der Klimakrise innerlich auseinandersetzt und diese in das eigene Handeln integriert, wird in der Zukunft Vorteile haben.
Viele Menschen haben Angst vor den Folgen der Klimakrise – die Wissenschaft spricht von Klimaangst. Was ist darunter zu verstehen?
Die innere Auseinandersetzung mit der Klimakrise kann in uns verschiedene Gefühle auslösen, davon ist die Angst eines. Angst ist bisher von den Klimagefühlen am besten erforscht, obwohl Wut und Ärger tatsächlich noch häufiger als Angst auftreten.
Mir ist es wichtig, an dieser Stelle erst einmal psychologisches Grundlagenwissen weiterzugeben: Das Wahrnehmen und Ausdrücken von Gefühlen ist ein wesentlicher Bestandteil psychischer Gesundheit! Wir funktionieren als Menschen in ganz verschiedenen Lebenssituationen dann am besten, wenn wir unsere Gefühle in unseren Entscheidungen mitberücksichtigen und sie auf diese Weise als Bedürfnisanzeiger nutzen können.
Schwierig wird es mit den Gefühlen in den Extrembereichen, z.B. wenn eine Person über längere Zeit kaum noch etwas fühlt (ein depressives Symptom!) oder wenn uns Gefühle regelrecht überfluten und wir sie nur noch schlecht regulieren können.
Mit Bezug auf die Klimakrise ist gesellschaftlich wohl eher eine weit verbreitete Gefühlstaubheit festzustellen, wenngleich einzelne Menschen aktuell durchaus heftige Gefühle in der Auseinandersetzung mit dem Klima erleben.
Die Klimakrise ist real und hat bereits heute katastrophale Folgen - Klimaangst ist somit eine Realangst. Sie ist nicht psychotherapeutisch zu lösen, sondern die beste Medizin ist wirklich wirksamer Klimaschutz.
Eine Studie hat 202110.00 junge Menschenin verschiedenen Ländern befragt, wie sie die Klimakrise wahrnehmen. Was waren die wichtigsten Ergebnisse?
In dieser Studie von der University of Bath (England) haben Caroline Hickman und Kolleg*innen erstmals mit dieser enorm großen Stichprobe die Klimaängste von 16-25-Jährigen im internationalen Vergleich erhoben. Dabei wurde deutlich, dass in allen Ländern die Ängste und Sorgen bei jungen Menschen sehr ausgeprägt sind: So gaben z.B. 45 % der Befragten an, dass ihre klimabezogenen Ängste Auswirkungen auf ihr Funktionieren im Alltag hätten, 84 % benannten Ängste mittleren bis extremen Ausmaßes.
Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass erstmals die Ängste in einen signifikanten Zusammenhang mit der wahrgenommenen Untätigkeit der eigenen Regierung gebracht werden konnten. Dies macht deutlich, wie wichtig ambitioniertes politisches Handeln auch aus Kinderschutzperspektive ist. Es gibt Autor*innen, die begründet annehmen, dass es sich bei dem unzureichenden Handeln im Klimaschutz um eine chronische Kindeswohlgefährdung handelt.
Sicher wirkt sich die Klimakrise nicht auf alle Menschen gleich aus – wer ist stärker betroffen, wer weniger stark?
Insgesamt zählen junge Menschen zur besonderen Risikogruppe bei klimabezogenen Ängsten. Dies hat einerseits den Grund, dass sie aufgrund ihres jungen Alters noch nicht über so rigide Gefühlsabwehrstrategien verfügen, wie das bei den meisten Erwachsenen der Fall ist. Sie erleben Bedrohungen daher viel unmittelbarer. Hinzu kommt die Lebenszeitperspektive, wodurch klar ist, dass sie die Folgen der Klimakrise noch in viel stärkerem Ausmaß erleben werden, als das bei älteren Menschen der Fall ist. Obwohl sie selbst nicht zu den Verursachern des Problems gehören: eine große Ungerechtigkeit!
Weitere Risikogruppen für klimabezogene Ängste sind Menschen, die sich beruflich mit diesen Themen befassen und sich somit immerzu mit dem schweren Befund inhaltlich auseinandersetzen müssen. Und Menschen, die naturnah leben und arbeiten (z.B. in Land- und Forstwirtschaft und Tourismus), und in ihrem Alltag die Folgen der Extremwetter unmittelbar miterleben. Auch Menschen, die in den heute bereits am stärksten betroffenen Ländern v.a. im Globalen Süden leben, sind berechtigterweise von großen Sorgen betroffen. Wobei ab einem gewissen Grad der Betroffenheit die emotionale Verarbeitung aus dem Blick gerät und stattdessen die sehr konkrete Arbeit rund um die Bewältigung der Folgen vor Ort in den Mittelpunkt rückt.
Welche Strategien beobachten Sie bei jungen Menschen, mit der Angst umzugehen?
Es gibt bei allen Menschen, besonders aber auch bei jungen Menschen divergierende Haltungen: Während einige eher in die aktive Auseinandersetzung eintreten, vielleicht schließlich auch beginnen, sich selbst für Klimagerechtigkeit zu engagieren, wehren andere das Thema eher ab oder lehnen es gar von vornherein ab, sich weiterführend damit zu beschäftigen. Dies kann z.B. in dem Entschluss münden, das eigene Leben trotz Klimakrise so gut wie möglich genießen zu wollen, solange dies noch möglich ist, beispielsweise erst recht noch per Flugzeug die Welt zu bereisen oder auf andere Art und Weise aus den Vollen zu schöpfen. Mit einer solchen Grundhaltung wird es auch verständlicher, dass schon die Konfrontation mit dem Thema Klimakrise als unangenehm wahrgenommen wird oder sogar abgewertet werden muss („Die Klimakleber nerven!“…).
Mit Blick auf diese ganz unterschiedlichen Bewältigungsstrategien erscheint es sinnvoll, statt von „Klimagefühlen“ eher von „Transformationserleben“ zu sprechen und somit die ganz verschiedenen Umgangsmöglichkeiten breiter zu fassen. Wir stehen als Gesellschaft noch am Beginn einer großen sozial-ökologischen Transformation. Es ist mit größeren gesellschaftlichen Umbrüchen und auch Konflikten zu rechnen. Dies alles findet in einer Zeit statt, in der wir bereits mit vielfältigen Krisen dauerkonfrontiert sind. Dass Menschen mit Blick auf diese Gemengelage emotional straucheln oder sich auch bewusst abwenden, ist erst einmal verständlich.
Schon in der Coronazeit mussten wir erleben, wie selbst im engeren Familien- und Freundeskreis unterschiedliche Haltungen entstehen, die zu Konflikten führen können. In den ökologischen Krisen werden wir dieses Phänomen zukünftig leider immer und immer wieder erleben müssen. Da ist es von besonderer Bedeutung, dass wir darauf achten, bei allen Unterschieden wertschätzend und respektvoll miteinander umzugehen und unsere Demokratie zu schützen. Aus meiner Sicht stehen v.a. wir Erwachsenen hier und jetzt in der Verantwortung, diese Transformation nun aktiv und konstruktiv zu gestalten. Auch wenn wir eigentlich andere Pläne für diese Zeit hatten.