"Endlich passiert mal was …!"

Foto: secretgarden/photocase.de

Autor
Christoph Albuschkat
Weltladen-Dachverband

Was denken Menschen verschiedener Generationen in Deutschland über die Klimakrise? Christoph Albuschkat vom Weltladen-Dachverband hat sich mit drei Menschen aus drei Generationen unterhalten und dabei auch erfahren, was sie voneinander lernen können.

Hinweis: Dieser Beitrag ist in der Hintergrundbroschüre zur Fairen Woche 2024 erschienen. Die Faire Woche vom 13. bis 27. September befasst sich in diesem Jahr mit dem Thema "Klimagerechtigkeit" aus der Perspektive junger Menschen. Mehr zur Fairen Woche 2024 erfahren

Die Gesprächspartner*innen

Fidelis Stehle ist 24 Jahre alt und studiert Erwachsenenbildung in Köln. Er “lebt fürs Ehrenamt”, ist in mehrerenkatholischen Jugendverbänden und als FairActivist aktiv. Neben Kaffee und Schokolade stammt auch der Großteil seiner Kleidung aus Fairem Handel.

Silke Marek, 47 Jahre, hat zwei Kinder (13 und 16) und wohnt in Mainz. Als Sozialpädagogin ist sie in der Kreisverwaltung Ingelheim zuständig für die Ausbildung und Vermittlung von Tagesmüttern. Fair gehandelte Produkte kauft sie nicht standardmäßig, aber vereinzelt tauchen sie doch zu Hause auf.

Ernst Wittstock ist 87 Jahre alt und wohnt als Rentner in Magdeburg. Er hat in der Lebensmittelforschung gearbeitet, engagiert sich heute in einem Kochclub und rettet Lebensmittel. Produkte aus Fairem Handel sind in den Läden in seinem Wohnort nur spärlich vorhanden.

Könnt ihr euch erinnern, wann ihr die Klimakrise zum ersten Mal als Bedrohung wahrgenommen habt?

Silke: Mir fällt spontan die Diskussion über das Ozonloch in den 1980er Jahren ein. Die Dimension dieser Problematik fand ich sehr bedrohlich und ich habe mich gefragt: Was passiert hier eigentlich?

Ernst: Für mich war das Elbehochwasser 2013 ein einschneidendes Erlebnis. Bei uns im Haus stand das Wasser bis an die Kellerdecke. Diese Erfahrung hat die Diskussion über die Klimakrise verstärkt.

Fidelis: Die Klimakrise existiert für mich, seit ich politisch denken kann. Als Bedrohung nehme ich die Krise seit etwa fünf Jahren wahr, kurz bevor es mit Fridays for Future losging. Seitdem habe ich mich auch mehr mit dem Thema auseinandergesetzt.

Welche Gedanken und Gefühle kommen euch, wenn ihr an die Klimakrise denkt?

Ernst: Wir diskutieren recht viel darüber, u.a. mit unseren Söhnen, die das Thema sehr nachdenklich macht. Wir haben auch vor vielen Jahren schon darauf reagiert und unser Haus gedämmt. Uns war klar, dass wir nicht einfach weiter so viel verbrauchen können, zum Beispiel Heizenergie.

Fidelis: Das Erste, was mir dazu in den Kopf kommt, ist das Gefühl der Ungerechtigkeit. Wenn ich mir anschaue, wer schuld an der Klimakrise ist und wer am meisten darunter leidet, dann ist das schon extrem ungerecht. Aber es kommen auch positive Emotionen hoch, wenn ich daran denke, wie ich mit vielen anderen jungen Menschen Aktionen und Projekte gegen die Klimakrise gemacht habe. Wenn ich an die aktuelle Politik denke, kommt mir in erster Linie Kopfschütteln. Es passiert viel zu wenig. Das lässt bei mir aber auch den Willen
entstehen, etwas zu verändern, weil es notwendig ist.

Silke: In den letzten fünf bis acht Jahren ist bei mir wirklich ein Gefühl der Bedrohung aufgekommen. Schwierig ist es für mich, wenn meine dreizehnjährige Tochter mich fragt, wie das mit der Umwelt werden soll und ich ihr keine befriedigende Antwort geben kann. Da fehlt die positive Perspektive und das finde ich sehr belastend.

Eine ausführliche Version des Interviews können Sie hier lesen.

Wie präsent ist denn die Klimakrise bei den Entscheidungen in eurem Alltag?

Ernst: Die ist bei mir sehr präsent, zum Beispiel wenn ich bewusst zu Fuß gehe, statt das Auto zu nehmen oder beim Einkauf. Auch im Kochclub spreche ich das oft an, was mir den Ruf eingebracht hat, dass ich oft meckere. Lebensmittel wegzuwerfen kommt für mich überhaupt nicht in Frage.

Silke: Ja, bei mir ist das auch täglich präsent. Die größte Challenge für mich ist die Umstellung vom Auto auf andere Alternativen. In meinem Elternhaus wurde jede Strecke mit dem Auto gefahren. Es fällt mir nicht leicht, es anders zu machen. Beim Einkaufen ist bei mir noch viel Luft nach oben. Viele Entscheidungen sind dem stressigen Alltag geschuldet. Das ärgert mich. Ich frage mich oft, wo ich anfangen soll.

Fidelis: Ich habe vor ein paar Jahren einige Dinge grundsätzlich entschieden, was mich jetzt im Alltag entlastet – zum Beispiel, dass ich keinen Führerschein mache und dass ich mich vegan ernähre. Beim Einkaufen habe ich meine Standardprodukte aus Fairem Handel, die oft klimaschonend hergestellt werden. Ich beschäftige mich vielmehr mit der Frage, wo die großen Hebel sind, die man umlegen muss, um größere Veränderungen zu bewirken.

Wenn ihr jetzt mal auf andere Generationen schaut – gibt es da etwas, wo ihr denkt, “da könnte ich mir eine Scheibe abschneiden”?

Ernst: Ich bewundere die junge Generation, wie konsequent sie die Klimakrise thematisiert und sich für Veränderungen einsetzt. Auch das mit dem Festkleben finde ich gerechtfertigt, um das Thema in den Fokus zu rücken.

Fidelis: Ich finde es sehr beeindruckend, ältere Menschen zu treffen, die sich schon seit ihrer Jugend mit Aktionen und Kampagnen für Umweltschutz einsetzen. In meiner internationalen Arbeit kann ich aber auch von Menschen meiner Generation viel lernen, die als Kleinbäuer*innen im Globalen Süden oder als Bewohner*innen von Inseln im Pazifik schon viel stärker von der Klimakrise betroffen sind.

Silke: Ich habe von meinen Eltern eine Wertschätzung für gute Lebensmittel gelernt. In Bezug auf die jüngere Generation bin ich beeindruckt, wie viel sie schon wissen und wie engagiert sie im Hinblick auf die Klimakrise sind. Ich muss auch ehrlich sagen, dass mich das ein Stück weit entlastet, weil ich denke, endlich passiert mal was.

 

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