Endlich beschlossen: Das Lieferkettengesetz

Autorin
Maja Volland
Politische Referentin, Forum Fairer Handel

Ein erster Schritt für mehr Gerechtigkeit in globalen Lieferketten

Heute hat der Bundestag nach monatelangen Diskussionen und Verschiebungen das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verabschiedet. Seit 2014 haben sich Aktive im Fairen Handel zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren für das Gesetz eingesetzt. Dass es nun verabschiedet wurde, ist ein wichtiger Schritt für Menschenrechte und Umweltstandards in globalen Lieferketten. Doch für mehr Gerechtigkeit in der globalen Wirtschaft kann es nur der Anfang sein, auf den viele weitere Schritte folgen müssen.

Das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtet Unternehmen ab einer bestimmten Größe, Verantwortung in ihrer Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte und bestimmter Umweltstandards zu übernehmen. Nachdem deutlich geworden war, dass Unternehmen freiwillig ihre Sorgfaltspflichten nicht ausreichend umsetzen, kommt Deutschland mit dem Gesetz nun – wenn auch nur teilweise – den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten (UNLP) nach.

Verzögert und verwässert durch massiven Lobbydruck der Wirtschaft

Trotz des internationalen Standards der UNLP, auf den sich das Gesetz bezieht, war dessen Umsetzung in Deutschland mehr als umstritten. Mit massiven Lobbyoffensiven (Gegenargumente haben wir in Hintergrundpapieren erläutert, wie etwa hier) versuchten Wirtschaftsverbände, das Gesetz zunächst zu verhindern und dann so weit es geht zu verwässern. Ihre Argumente gegen ein Gesetz waren unter anderem, dass das Gesetz für Unternehmen nicht umsetzbar sei oder dass es Menschen im Globalen Süden eher schaden als nützen würde, weil sich Unternehmen aus Risikogebieten zurückziehen würden. Insbesondere bei Teilen der CDU stießen sie damit auf offene Ohren. Monatelang rangen Bundesminister Gerd Müller und Hubertus Heil, die sich für ein Lieferkettengesetz stark machten, mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier um einen Regierungsentwurf. In dem im Februar 2021 beschlossenen Entwurf wurden die von Heil und Müller im März 2020 vorgeschlagenen Gesetzeseckpunkte stark verwässert.

Die Wirtschaftsverbände lobbiierten weiter und versuchten das Gesetz nun im Bundestag weiter abzuschwächen oder gar so hinauszuzögern, dass eine Abstimmung in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich gewesen wäre. Wieder stießen sie auf offene Ohren bei Teilen der CDU und anderer Abgeordneter. Entsprechend wurde im Bundestag wieder um den Gesetzentwurf gerungen und Änderungen an dem Regierungsentwurf vorgenommen. Eine zunächst für den 20. Mai vorgesehene Abstimmung im Bundestag über das Gesetz wurde verschoben.

Veränderungen zum Regierungsentwurf:

Im Rahmen der Verhandlungen im Bundestag kam es an einigen Stellen zu Änderungen im Gesetzestext des Regierungsentwurfs. Unter anderem wurden folgende Punkte geändert die aus unserer   Sicht teilweise positiv und teilweise negativ zu beurteilen sind:

  • Positiv: Das Gesetz soll nun deutlich mehr Unternehmen umfassen. Es soll zum einen auch für ausländische Unternehmen gelten, die in Deutschland eine Zweigniederlassung mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden haben. Zudem zählen auch anders als zuvor alle Tochterunternehmen, auf die ein "bestimmender Einfluss" ausgeübt wird, zum eigenen Geschäftsbereich des Mutterunternehmens. Das heißt: Die Sorgfaltspflichten des Unternehmens erstrecken sich nun auch auf diese Töchter.
  • Positiv: In das Gesetz wurde das Basler Übereinkommen zu gefährlichen Abfällen mit aufgenommen. Damit wurden die umweltbezogenen Pflichten erweitert – Eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten fehlen aber weiterhin.
  • Negativ: Mit Blick auf zivilrechtliche Haftungsansprüche wurde eine Klarstellung vorgenommen, dass das Lieferkettengesetz keine haftungsrechtliche Anspruchsgrundlage begründet (siehe unten Kritikpunkt 2).   

Bewertung des Lieferkettengesetzes: Nicht so ambitioniert wie erhofft, aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung

Das nun vom Bundestag beschlossene Gesetz ist, wie bereits auch schon der Regierungsentwurf, nicht so ambitioniert, wie wir es mit der Initiative Lieferkettengesetz für einen wirksamen Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards gefordert  hatten. Dennoch ist es ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung: Mit dem Gesetz wird ein Paradigmenwechsel in Deutschland eingeleitet – weg von Freiwilligkeit hin zu verbindlichen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Vorgaben für Unternehmen.

Das Gesetz hat durchaus Durchsetzungskraft: Eine Bundesbehörde wird befähigt, die in dem Gesetz geforderten Sorgfaltspflichten mit Kontrollen, Anordnungsrechten und Bußgeldern durchzusetzen. Verstoßen Unternehmen gegen ihre Sorgfaltspflichten, können sie von der zuständigen Behörde – dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BaFa) – mit Bußgeldern belegt werden. Diese richten sich nach der Schwere des Vergehens wie auch nach dem Gesamtumsatz des Unternehmens. Zudem ist bei erheblichen Verstößen gegen das Sorgfaltspflichtengesetz ab einer Bußgeldhöhe von mindestens 175.000 Euro ein Ausschluss von öffentlichen Aufträgen vorgesehen.  

Unsere Hauptkritikpunkte bleiben wie schon beim Regierungsentwurf:

  1. Die Sorgfaltspflichten sind unzureichend ausgestaltet: Unternehmen müssen menschenrechtliche Risiken nur für direkte Zulieferer bzw. für Partner, mit denen eine Vertragsbeziehung besteht, kennen. Bei weiteren Akteuren entlang ihrer Lieferkette sollen Unternehmen erst dann eine Risikoanalyse machen, wenn sie Hinweise über menschenrechtliche Risiken erhalten. Mit dieser Regelung bleibt das Gesetz hinter den UNLP zurück, welche eine Risikoanalyse entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Unternehmen fordern. Dies ist ein entscheidender Mangel an dem Gesetz, den wir bereits beim Regierungsentwurf kritisiert hatten. Denn viele Menschenrechtsverletzungen, wie etwa ausbeuterische Kinderarbeit auf Kakaoplantagen, geschehen am Anfang globaler Lieferketten. Sie werden durch eine Risikoanalyse von deutschen Unternehmen, die lediglich bis zu ihren unmittelbaren Zulieferern reicht, nicht erfasst werden. Zudem wirkt das Gesetz mit dieser Regelung nicht präventiv: Wenn Unternehmen erst nach Hinweisen eine Risikoanalyse für ihre gesamte Lieferkette durchführen müssen, wird ein Unternehmen folglich erst tätig, wenn eine Verletzung der Menschenrechte bereits stattgefunden hat. Ziel eines Lieferkettengesetzes sollte aber sein, präventiv Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Hierfür braucht es vollumfängliche Sorgfaltspflichten nicht nur für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare, sondern auch mittelbare Zulieferer.
  2. Es fehlt eine zivilrechtliche Haftung: Einer unserer Hauptkritikpunkte bleibt wie auch schon beim Regierungsentwurf, dass das Gesetz keine zivilrechtliche Haftungsregelung enthält und somit die Rechte von Betroffenen nicht stärkt. Eine zivilrechtliche Haftungsregel hätte Betroffenen einen verbesserten Rechtsschutz ermöglicht. Ohne diesen sind sie weiterhin mit hohen Hürden konfrontiert, wenn sie deutsche Unternehmen vor deutschen Gerichten zur Verantwortung ziehen wollen.
    Eine explizite Haftungsregel stellt zudem einen wirksamen Anreiz für Unternehmen dar, Risiken in ihren Lieferketten durch angemessene Sorgfaltsmaßnahmen präventiv vorzubeugen. In einer britischen Studie konnte gezeigt werden, dass Unternehmen bei Gesetzen mit Haftungsregel tiefergehende und umfassendere Veränderungen in ihren Lieferketten vornehmen, als wenn etwa nur eine Berichtspflicht besteht. Obwohl eine Haftungsregel in dem Gesetz fehlt, wurden auf Druck von Teilen der CDU zwei Sätze in das Gesetz noch aufgenommen, die explizit klarstellen sollen, dass das Gesetz keine zivilrechtlichen Ansprüche begründet. Dies finden wir aus menschenrechtlicher Perspektive falsch. Anstatt die Rechte von Betroffenen zu stärken, wird mit einem deklaratorischen Hinweis versucht, dem explizit entgegenzuwirken.
  3. Es fehlen umweltbezogene Sorgfaltspflichten: Auch weiterhin fehlen in dem Gesetz umfassende umweltbezogene Sorgfaltspflichten. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen lediglich in Bezug auf sehr bestimmte Themen zu mehr Umweltschutz, etwa bei Quecksilber-Emissionen. Daran ändert auch das noch neu hinzugefügte Basler Übereinkommen zu gefährlichen Abfällen nichts, auch wenn dessen Ergänzung zu begrüßen ist.
    Die Zerstörung der Umwelt ist häufig ganz mittelbar mit Menschenrechtsverletzungen verbunden, wie etwa bei der direkten Zerstörung von Lebensgrundlagen. Schädliche Folgen für die Umwelt und daraus resultierende Menschenrechtsverletzungen treten jedoch häufig erst zeitverzögert auf. Um dem vorzubeugen, muss Umwelt als unabhängiges Schutzgut in das Gesetz aufgenommen werden.
    Dies ist auch wichtig, um auch Umweltzerstörungen durch die Wirtschaft, die nicht direkt oder nur kumulativ zu Menschenrechtsverletzungen führen, zu verhindern. Dazu zählt etwa die weitere Zerstörung der Biodiversität oder des Klimas.
  4. Das Gesetz gilt für zu wenige Unternehmen: Es ist positiv, dass das Gesetz nun im Vergleich zum Regierungsentwurf deutlich mehr Unternehmen umfasst. Wir hatten jedoch gefordert, dass das Gesetz für alle Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden (große Unternehmen laut Handelsgesetzbuch) sowie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Sektoren mit besonderen menschenrechtlichen Risiken gelten muss sowie für alle Unternehmen, die in Deutschland geschäftstätig sind – also regelmäßig Waren nach Deutschland einführen. Nur so könnte das Gesetz tatsächlich umfassend Risiken für Mensch und Umwelt adressieren, denn auch kleinere Unternehmen können zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung beitragen.
    Nur durch die Einbeziehung weiterer Unternehmen könnte tatsächlich ein so genanntes Level-Playing-Field geschaffen werden, welches verbindliche Pflichten für alle Unternehmen setzt. Fair-Handels-Unternehmen zeigen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten umsetzen können. Da mit dem Gesetz zu wenige Unternehmen erfasst werden, wird die Achtung hoher sozialer und ökologischer Standards auch weiterhin die Ausnahme und nicht die Regel bleiben.

Und jetzt?

Auch wenn das vom Bundestag beschlossene Gesetz hinter unseren Erwartungen an ein wirksames Lieferkettengesetz zurückbleibt, ist es ein erster Schritt, der den Pfad der freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unternehmen verlässt und in Richtung verbindlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen in der globalen Wirtschaft geht. Ein Scheitern des Gesetzes wäre ein fatales Signal für die bereits laufenden Verhandlungen zu einem EU-weiten Lieferkettengesetz gewesen. Es wird nun darauf ankommen, sich für weitere Schritte hin zu Menschenrechten, sozialen Standards und Umweltschutz in globalen Lieferketten einzusetzen. Dafür muss unter anderem das deutsche Gesetz nun wirkungsvoll umgesetzt und vom nächsten Gesetzgeber verbessert werden. Zudem müssen wir für eine EU-weite Regelung und einen UN-Treaty eintreten, die über das deutsche Gesetz hinausgehen. 

Weitere Informationen

Eine ausführliche Analyse des Gesetzes hat die Initiative Lieferkettengesetz verfasst:

Initiative Lieferkettengesetz (2020): Was das neue Lieferkettengesetz liefert – und was nicht Download

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