Eine faire Zukunft für alle, geht das überhaupt? Es geht nur dann nicht, wenn wir es nicht versuchen. Es geht aber auch nur dann, wenn wir es "richtig" angehen – und dazu lohnt es, sich ein paar allgemeine Gedanken darüber zu machen, wie politische und gesellschaftliche Veränderungsprozesse funktionieren und was für den Fairen Handel daraus abzuleiten ist.
"Fighting the bad, building the new"
Große politische und gesellschaftliche Veränderungen, die dem Allgemeinwohl dienen, werden in der Regel nicht von denen angestoßen, die in Gesellschaften Macht und Privilegien besitzen. Macht und Privilegien scheinen bei fast allen Menschen dazu zu führen, dass sie zu Bewahrer*innen des Status-Quo werden, der ihre Position festigt. Die Durchsetzung von Frauen-, Arbeiter- und Menschenrechte, aber auch das Ende der Atomkraft in Deutschland sind Beispiele von Veränderungsprozessen von unten, die ohne starke soziale Bewegungen nicht möglich gewesen wären. Schaut man sich diese Prozesse genauer an, stellt man zudem fest, dass es dabei immer auch Dimensionen des Neuen und des Visionären gab.
Ein paar Beispiele:
Während die Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert gegen die Missstände des Frühkapitalismus mobilisierte, entstand zeitgleich die Genossenschaftsbewegung, die bis heute alternative Formen des Wirtschaftens prägt. Anfang der 1990er Jahre gründete sich in Brasilien mit La via Campesina ("der bäuerliche Weg") die inzwischen weltweit größte globale Bewegung von Kleinbäuer*innen, Landarbeiter*innen, Fischer*innen, Landlosen und Indigenen mit dem Ziel, sich für eine gerechte Globalisierung einzusetzen. Gleichzeitig baut die Bewegung aber auch kleinbäuerliche Strukturen wie Kooperativen auf, die die Forderungen der Bewegung bereits in die Realität umsetzen.
Dass 2022 in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abgestellt wird, ist zu großen Teilen einer starken Anti-Atombewegung zu verdanken, es wäre aber – das zeigt aktuell das Beispiel Frankreich – nicht möglich gewesen, wenn sich nicht auch eine ebenso starke Minderheit schon früh an den Ausbau der erneuerbaren Energien gemacht hätte.
Kurz und gut: Die Formel "Fighting the bad, building the new" scheint es ganz gut auf den Punkt zu bringen, wie positive gesellschaftliche Veränderungen erreicht werden können. Dafür ist auch der Faire Handel ein gutes Beispiel. Als Bewegung ging es dem Fairen Handel seit seinen Anfängen darum, Veränderungen von ungerechten Wirtschafts- und Handelsstrukturen zu erstreiten. Gleichzeitig wurde aber auch damit begonnen, die erwünschte Zukunft bereits zu bauen, indem eine Alternative erprobt und entwickelt wurde.
Ein Modell für den Wandel
Natürlich ist das mit dem gesellschaftlichen Wandel alles wesentlich komplexer als oben dargestellt. Den Übergang von einem profitorientierten zu einem fairen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Wirtschafts- und Handelssystem zu gestalten bedarf einer Arbeit auf vielen Ebenen. Eine genaue Analyse des bestehenden Systems und was aktiv verändert oder bekämpft werden muss gehört da genauso dazu, wie ein Nachdenken darüber, wie das neu aufzubauende aussehen sollte. Es gilt Veränderungen bei den Regeln und Rahmenbedingungen, die das derzeitige System stützen, herbeizuführen. Gleichzeitig müssen sich auch die Werte und Normen, nach denen wir unser Handeln ausrichten, grundlegend verändern.
Diesen komplexen Prozess haben wir in unserer neuen Zukunftsbroschüre in einer Grafik dargestellt. Diese soll dazu dienen, genauer zu schauen, wo wer an welcher Stellen arbeitet und wie wir uns als Fair-Handels-Bewegung ergänzen und unterstützen können.