Ein wichtiger Schritt in Richtung eines wirksameren EU-Lieferkettengesetzes

EU-Lieferkettengesetz: Yes EU can
Autorin
Maja Volland
Politische Referentin, Forum Fairer Handel

Am 25. April hat sich nach längeren Verhandlungen der Rechtsausschuss des EU-Parlaments, der für die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in Geschäften europäischer Unternehmen – kurz das EU-Lieferkettengesetz – zuständig ist, auf eine Position zu der Richtlinie geeinigt. Dies ist positiv, da mit dem Beschluss der Weg frei ist für eine Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments am 31. Mai/ 1. Juni. Zwar haben insbesondere die CDU und CSU in den Verhandlungen im Rechtsausschuss auch für Schutzlücken in der Position gesorgt. Allerdings enthält der Beschluss auch erhebliche Verbesserungen im Vergleich zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission und der Position des Ministerrates, welche für einen besseren Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima in globalen Wertschöpfungsketten von Unternehmen sorgen.

Verwässerungen durch die Unionsparteien

Die Abstimmungen zum EU-Lieferkettengesetz im EU-Parlament ziehen sich bereits seit einigen Monaten. Insbesondere der Union ist es zuzuschreiben, dass der Beschluss des federführenden Rechtsausschusses Lücken für einen wirksamen Schutz für Menschenrechte, Umwelt und Klima aufweist. Viele ihrer ursprünglichen Forderungen, welche die Abgeordneten der Union in den Rechtsausschuss eingebracht hatten, haben sie von Wirtschaftsverbänden übernommen, teilweise sogar wortwörtlich abgeschrieben. Einige der Unionsabgeordneten wollten sogar das gesamte EU-Lieferkettengesetz stoppen. Zwar hat sich diese Position nicht durchgesetzt, aber der ursprünglich noch stärkere Entwurf der zuständigen Abgeordneten Lara Wolters wurde deutlich verwässert.

Unter anderem gibt es in dem Beschluss weiterhin Hürden beim Zugang zu Recht für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen (siehe weiter unten). Bei der Reichweite der Sorgfaltspflichten streicht der Rechtsausschuss zwar die von der Kommission vorgesehene Einschränkung auf lediglich „etablierte Geschäftspartner“; doch schließt er den Gebrauch eines Produktes aus, was etwa mit Blick auf den Export von gesundheitsschädlichen Pestiziden hochproblematisch ist. Im Finanzbereich will der Rechtsausschuss zwar erfreulicherweise auch Banken, Versicherungen und institutionelle Investoren künftig zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt verpflichten und geht damit weiter als Kommission und Rat. Allerdings beschränken sich die Sorgfaltspflichten auf Geschäftsbeziehungen mit direkten Großkunden, was mit Blick auf Risiken bei kleineren Investitionen unverständlich ist. Zudem fügt der Rechtsausschuss eine sogenannte "single market"-Klausel ein, die im schlimmsten Fall dazu führen könnte, dass nationale Lieferkettengesetze, die strengere Kriterien als die EU-Richtlinie beinhalten, angepasst werden müssten. Anders als im Vorhinein befürchtet, schlägt der Rechtsausschuss aber keine eindeutige Verpflichtung zu einer solchen Anpassung oder "Vollharmonisierung" für Mitgliedsstaaten vor.

Allerdings schließt der Beschluss des Rechtsausschusses auch viele Schutzlücken für Menschenrechte, Umwelt und Klima und sorgt auch dafür, dass die Bedürfnisse von kleinen Produzent*innen und Bäuer*innen an den Anfängen der Lieferketten stärker berücksichtigt werden.

Ein Überblick zu einigen Punkten:

Hürden beim Zugang zu Recht für Betroffene

Anders als noch in dem Entwurf von der zuständigen Abgeordneten Lara Wolters vorgesehen, sollen nach der finalen Position des Rechtsausschusses Konzerne nicht mehr unmittelbar für Schäden haften, die ihre ausländischen Tochterunternehmen verursacht haben. Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen ist dies problematisch. Zwar verbessert der Ausschuss einige Hürden beim Zugang zu Recht, wie bspw., dass die Höhe der Verfahrenskosten für die Kläger*innen kein Hinderungsgrund für eine Klage sein dürfen. Doch bleibt ein wesentliches Hindernis für den Erfolg von Schadensersatzklagen, dass auch weiterhin nur die Betroffenen die Beweise für Verstöße der Unternehmen liefern müssen. Für Betroffene ist es kaum möglich, europäischen Unternehmen nachzuweisen, dass sie oder ihre Tochtergesellschaften Menschenrechtsverstöße mitverursacht haben. Sie haben in der Regel keinen Einblick in interne Prozesse und Unterlagen eines Unternehmens. Deshalb sollte die Beweislast auch bei den Unternehmen liegen.

Umweltbezogene Sorgfaltspflichten – Viel Licht und ein wenig Schatten

Erfreulicherweise beinhaltet der Entwurf des Rechtsausschusses eigenständige umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Unternehmen, die –  anders als in der Position von Kommission und Rat – im Einklang mit den Novellierungsvorschlägen für die Leitsätze der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) für multinationale Unternehmen einen umfassenden Ansatz verfolgen. Unter anderem wird explizit benannt, dass die Pflichten der Unternehmen Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt, Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung umfassen. Negativ ist dagegen, dass in dem Beschluss wichtige internationale Abkommen, etwa zum Schutz der Biodiversität und des Weltnaturerbes, aus der Liste der einzuhaltenden Vorschriften gestrichen werden.

Klimabezogene Sorgfaltspflichten mit Lücken

Erfreulicherweise hat der Rechtsausschuss die Vorgaben für den Klimaschutzplan, den Unternehmen erstellen müssen, verschärft. Anders als in der Position von Kommission und Rat ist zudem nicht nur das Aufstellen, sondern auch das Umsetzen des Klimaplans verpflichtend; Verstöße gegen den Plan können somit mit Sanktionen belegt werden. Auch wird der Klimaplan als Maßnahme der Sorgfaltspflichten aufgenommen und kann – wenn es das nationale Recht zulässt – damit zivilrechtlich eingeklagt werden. Auch wenn dies erfreulich ist, bräuchte es weitergehende klimabezogene Sorgfaltspflichten, da unklar ist, inwiefern andere Aspekte, wie etwa Maßnahmen zur Klimaanpassung, im Klimaplan enthalten sein müssen. Problematisch ist unter anderem auch, dass Treibhausgasemissionsreduktionsziele für Scope 3 nur dann gesetzt werden müssen, wenn diese angemessen sind. Unternehmen müssten ihren Klimaplan somit nicht pauschal auf ihre gesamte Wertschöpfungskette ausrichten. Auch muss die Reduktion von Methan nicht zwingend von Unternehmen verfolgt werden. Dies ist mit Blick auf die Klimaschädlichkeit von Methan unverantwortlich. Derartige Einschränkungen sind angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise, die insbesondere Menschenleben und Existenzen im Globalen Süden bedroht, unverständlich.

Einkaufspraktiken von Unternehmen als Maßnahme verankert

Eine zentrale Verbesserung der Position von Kommission und Rat besteht darin, dass Unternehmen verpflichtet werden, die potenziellen oder tatsächlichen negativen Auswirkungen ihrer eigenen Einkaufspraktiken auf die Menschenrechte und die Umwelt zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen. Für Arbeitnehmer*innen und Bäuer*innen in der Textil- und Agrarindustrie, wo unlautere Handelspraktiken besonders häufig vorkommen, ist dies besonders wichtig. Durch sehr kurzfristige Lieferfristen oder Rabattforderungen erhöhen etwa Unternehmen häufig den Kostendruck gegenüber ihren Lieferanten und generieren oder verstärken dadurch selbst Risiken entlang der Lieferkette. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz muss deswegen Unternehmen verpflichten, die Auswirkungen ihrer eigenen Einkaufs- und Preispolitik in den Blick zu nehmen.

Dies ist auch wichtig, damit Unternehmen nicht einfach alle Verantwortung bei der Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes auf ihre Lieferanten abwälzen. Sie selbst müssen auch ihre eigenen Praktiken ändern und beispielsweise ihren Lieferanten bessere Preise für ihre Produkte zahlen, wenn diese, wie etwa im Agrarsektor nicht selten der Fall, unterhalb der Produktionskosten liegen.

Existenzsichernde Einkommen als Menschenrecht

Positiv ist des Weiteren, dass der Beschluss des Rechtsausschusses neben einem existenzsichernden Lohn auch ein existenzsicherndes Einkommen als ein zu respektierendes Menschenrecht benennt. Viele unserer Lebensmittel, die wir konsumieren, werden von Kleinbäuer*innen produziert, die oft nicht genug verdienen, um ihrem Haushalt einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen, und auch nicht die Mittel haben, ihren Arbeiter*innen einen existenzsichernden Lohn zu zahlen. Ein existenzsicherndes Einkommen ist wie auch ein existenzsichernder Lohn ein Menschenrecht und gleichzeitig Voraussetzung für die Umsetzung anderer Menschenrechte. Die Aufnahme eines existenzsichernden Einkommens als Menschenrecht in das EU-Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Beitrag, um Kleinbäuer*innen aus der Armut zu befreien. Unternehmen können nun etwa dazu angehalten werden, ihre eigene Einkaufs- und Preispolitik dahingehend zu überprüfen, ob sie einem existenzsichernden Einkommen von Kleinbäuer*innen entgegensteht.

Stärkere Einbeziehung von Betroffenen

Betroffene und potenziell betroffene Gruppen müssen bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten von Unternehmen gehört und berücksichtigt werden. Sie sind den Folgen der Unternehmensgeschäfte direkt ausgesetzt und haben zudem relevantes Wissen über Risiken vor Ort. Es ist deshalb positiv, dass der Rechtsausschuss die Einbeziehung von Betroffenen im Prozess der Sorgfaltspflichten von Unternehmen in einem eigenen Artikel darlegt und klarstellt, dass diese über eine bloße Konsultation hinausgehen muss. Besonders wichtig ist, dass der Bericht im Einklang mit den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGPs) und den OECD-Leitsätzen hervorhebt, dass Unternehmen sich geschlechtsspezifisch engagieren und den Gruppen, die wahrscheinlich am stärksten von negativen Auswirkungen betroffen sind, besondere Aufmerksamkeit schenken sollten.

EU-Abgeordnete und Bundesregierung müssen im Trilog ein wirksames EU-Lieferkettengesetz aushandeln!

Die Abstimmung des EU-Parlaments Ende Mai/Anfang Juni ist ein wichtiger Schritt, damit die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, Rat und Parlament zum EU-Lieferkettengesetz beginnen können. Die Position des Rechtsausschusses stellt dafür eine gute Grundlage dar. Die EU-Abgeordneten und die deutsche Bundesregierung müssen sich dann im Trilog dafür einsetzen, dass alle Aspekte, die einen wirksamen Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima sicherstellen, in der Richtlinie übernommen und Schwachstellen ausgebessert werden. Die Bundesregierung muss verwässernde Maßnahmen, wie etwa ihre Forderung nach Schlupflöchern bei der Haftung von Unternehmen, fallen lassen. Nur so kann am Ende der Verhandlungen ein EU-Lieferkettengesetz stehen, welches wirksam Menschenrechte, Umwelt und Klima in globalen Wertschöpfungsketten von Unternehmen schützt.

Updates zum Prozess des EU-Lieferkettengesetzes finden Sie auf unserer Themenseite Wirtschaft und Menschenrechte.

Publikationen zum Thema
Factsheet Kompass Fairer Handel EU-Lieferkettengesetz
Forum Fairer Handel (2022):

Kompass Fairer Handel: Mit einem EU-Lieferkettengesetz Menschenrechte und Umwelt wirksam schützen

Die Forderungen der Initiative Lieferkettengesetz für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz finden Sie auf der Website der Inititiative.

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