Der Koalitionsvertrag steht und es gibt aus Sicht des Fairen Handels Einiges zu bereden mit der neuen Bundesregierung. Denn der Faire Handel steht für eine weltoffene und solidarische Gesellschaft, die sich ihrer globalen Verantwortung bewusst ist. Auch wenn diese Prinzipien des Fairen Handels an einigen Stellen des Vertrags (Einsatz für ambitioniertes Post-Agenda-2030-Rahmenwerk, Bekenntnis zu einer eigenständigen Entwicklungspolitik und zur Einhaltung des Klimaziel 2040) zu erkennen sind, sind gerade die Kapitel zu Migration, Sozialpolitik oder zu Bürokratieabbau sehr auf Abschottung und Zurückdrehen wichtiger Maßnahmen für eine dringend notwendige sozial-ökologische Transformation ausgerichtet.
Deutsches Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wird ersetzt
Man muss schon sehr genau lesen, um zu verstehen, was jetzt genau passieren wird und auch dann bleibt es noch ein wenig unklar. Auf den ersten Blick hat sich die Union mit ihrem Wahlkampfversprechen, das deutsche Lieferkettengesetzt abzuschaffen, durchgesetzt. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Darüber hinaus schaffen wir das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab.“ Dann kommt aber der entscheidende Satz: „Es wird ersetzt durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt“. Hier ist also noch keine Festlegung im Koalitionsvertrag, wie dieses neue Gesetz aussehen soll und damit eine echte Chance für uns und andere zivilgesellschaftliche Akteure, die Umsetzung des Gesetzes zu beeinflussen, indem wir gegen die geplante Verwässerung der CSDDD entschieden vorgehen.
Allerdings wird bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes das LkSG massiv abgeschwächt, da die Berichtspflichten abgeschafft und Verstöße – bis auf „massive Menschenrechtsverletzungen“ nicht sanktioniert werden sollen. Das ist bitter, denn ohne diese Pflichten ist es kaum nachprüfbar, ob Menschenrechte entlang der Lieferkette verletzt werden und ohne Sanktionen ist das Gesetz weitestgehend zahnlos. Mehrmals wird im Koalitionsvertrag die Unterstützung für die Umsetzung des „Omnibus-Verfahrens“ auf EU-Ebene bekräftigt. Das ist bedauerlich, denn das Omnibus-Verfahren sieht die Revidierung einer Vielzahl an Errungenschaften der letzten Jahre zum Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards vor.
Entwicklungspolitik – Ein gemischtes Bild
Der Koalitionsvertrag enthält ein Bekenntnis, dass entwicklungspolitische Zusammenarbeit wertegeleitet sein muss. Das ist gut. Allerdings zeigt sich vor allem im Vergleich zum letzten Koalitionsvertrag, dass Entwicklungspolitik deutlicher auf die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands zugeschnitten werden soll. Eine solche Ausrichtung an deutschen Interessen führt aber gerade beim Kampf gegen Hunger, Armut und Ausbeutung zu einer aus entwicklungspolitischer Perspektive unwirksamen Prioritätensetzung. Allerdings bleibt abzuwarten, wie das BMZ die im Koalitionsvertrag festgelegten Hauptlinien umsetzt. Dazu ist es gut, dass es weiterhin ein eigenständiges Ministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit geben wird. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie das BMZ seine Aufgaben gut erfüllen kann, da die ODA-Quote mit Verweis darauf, dass der Haushalt konsolidiert werden müsse, abgesenkt werden soll. Dies ist ein Sparen an falscher Stelle!
Unfaire Handelspraktiken und der Lebensmitteleinzelhandel
Auch bei unfairen Handelspraktiken bleibt abzuwarten, wie die zukünftige Bundesregierung sich verhält. Haben frühere Regierungen klar verlauten lassen, dass unlautere Handelspraktiken bekämpft werden müssen, steht diesmal im Koalitionsvertrag lediglich: „Wir unterstützen die Evaluierung und die Überarbeitung der Umsetzung der EU-Richtlinie über unfaire Handelspraktiken, um einen Wettbewerb mit fairen Erzeugerpreisen im Lebensmittelmarkt zu ermöglichen.“ Diese Evaluierung hat bereits begonnen und wir wissen alle: Der Weg zu fairen Erzeugerpreisen ist noch weit. Da ist es aber ein Erfolg, dass wir uns mit zwei unserer politischen Forderungen durchgesetzt haben: Im Koalitionsvertrag verpflichtet sich die Bundesregierung eine „unabhängige und weisungsfreie Ombudsperson“ einzuführen, die bei fairen Erzeugerpreisen eine wichtige Schlüsselposition einnehmen kann. Zudem ist von der im Wahlkampf der Union angestrebten Rücknahme der Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts nicht mehr die Rede. Das ist gut, da dadurch unsere Forderung nach einer Sektoruntersuchung des Lebensmitteleinzelhandels nach wie vor Aussichten auf Erfolg hat.
Was bedeutet das nun für uns als Akteure des Fairen Handels? Wir müssen uns weiter für einen gerechteren Welthandel und eine weltoffene solidarische Gesellschaft einsetzen. Vor allem aber bietet der Koalitionsvertrag genügend Ansatzpunkte, weiter für unsere Forderungen nach einer zukunftsfähigen Wirtschaft, die Menschen und Umwelt in den Mittelpunkt stellen zu streiten. Dazu an dieser Stelle bald mehr, stay tuned!