Der Beitrag des Fairen Handels zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen

Was ist der Beitrag des Fairen Handels zu menschenwürdiger Arbeit?
Autor
Maja Volland (Forum Fairer Handel)/ Peter Möhringer (Fairtrade Deutschland)

Die Faire Woche 2021 dreht sich rund um das Thema "Menschenwürdige Arbeitsbedingungen". Wie trägt der Faire Handel dazu bei?

Eines der zentralen Ziele des Fairen Handels ist es, menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen. Um dieses zu erreichen, arbeitet der Faire Handel nach Regeln, die sich teilweise deutlich von denen der konventionellen Wirtschaft unterscheiden:

Die Basis: Internationale Arbeitsstandards und UN-Leitprinzipien

Die Basis für die Prinzipien und Standards des Fairen Handels bilden die Konventionen und Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Acht davon – darunter das Verbot von Zwangsarbeit und ausbeuterischer Kinderarbeit sowie das Recht auf gewerkschaftliche Organisation und Nichtdiskriminierung –  sind Kernarbeitsnormen. Obwohl sie für alle ILO-Mitgliedsstaaten bindend sind, werden sie in vielen Ländern nicht vollständig umgesetzt. 
Darüber hinaus stellen die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) einen wichtigen Baustein für menschenwürdige Arbeit dar. Die Leitprinzipien sind ein globaler Standard, um Verstößen gegen die Menschenrechte in der globalen Wirtschaft vorzubeugen und sie zu ahnden. In Deutschland wird das im Juni 2021 vom Bundestag beschlossene Lieferkettengesetz einen verbindlichen Rahmen für den Schutz von Menschenrechten in der Wirtschaft schaffen – auch wenn dieser aus Sicht der Fair-Handels-Bewegung grobe Lücken aufweist

Der Faire Handel geht über Kernarbeitsnormen und UN-Leitprinzipien hinaus

Unternehmen im Fairen Handel sind sich ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entsprechend den Definitionen in den UN­Leitprinzipien bewusst und kennen ihre Lieferkette sowie mögliche Risiken für Menschenrechte und Umweltzerstörung innerhalb ihrer Produktionsketten. Bei Missständen suchen sie gemeinsam mit ihren Handelspartnern nach Lösungen. Zudem gibt es, wie in den UN­Leitprinzipien vorgesehen, Möglichkeiten zur Beschwerde. In seinem Bestreben für Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und nachhaltige Entwicklung geht der Faire Handel sogar über diese internationalen Regelungen hinaus. In seiner Vision versteht er menschenwürdige Arbeit dahingehend, "dass alle Menschen durch ihre Arbeit einen angemessenen und würdigen Lebensunterhalt aufrechterhalten und ihr Potenzial voll entfalten können." (siehe WFTO/Fairtrade International 2018: Internationale Charta des Fairen Handels Download)

Was bedeutet "menschenwürdige Arbeit" für dich?

Das Video ist im Rahmen der Fairen Woche 2021 zum Thema "Menschenwürdige Arbeitsbedingungen" entstanden.

Was leistet der Faire Handel konkret?

Existenzsichernde Einkommen und Löhne, Fair-Handels-Prämien und Bio-Zuschläge

Für den Fairen Handel ist ein zentrales Element menschenwürdiger Arbeit die Sicherung von existenzsichernden Einkommen und Löhnen (Was existenzsichernde Einkommen und Löhne sind, welche Herausforderungen sie aufwerfen und was der Faire Handel tut, um sie zu erreichen, lesen Sie im Artikel "Herausforderungen für den Fairen Handel“ auf Seite 18-19 der Hintergrundbroschüre der Fairen Woche 2021" Download). Darüber hinaus trägt er mit weiteren Instrumenten zu Arbeitsbedingungen bei, die den Produzent*innen eine nachhaltige Produktion und eine angemessene Gewinnmarge ermöglichen. Dazu zählen z.B. eine partnerschaftliche Preisfindung sowie Mindestpreise, die den Fairen Handel von allen anderen Nachhaltigkeitsansätzen unterscheiden.

Zusätzlich zu den Mindestpreisen werden im Fairen Handel Prämien für gemeinschaftliche Projekte gezahlt. Die Mitglieder einer Kooperative entscheiden demokratisch, wofür die Prämie eingesetzt wird. Im Fairen Handel erhalten die Produzent*innen darüber hinaus einen Aufpreis für biologisch angebaute Produkte. Damit können sie die Mehrarbeit und die zusätzlichen Kosten abdecken, die durch eine Umstellung auf biologischen Anbau entstehen.

Auch der im Fairen Handel gewährleistete Anspruch auf Vorfinanzierung hat für die Produzent*innen eine große Bedeutung. Er ermöglicht ihnen unter anderem die Organisation der Ernte und des Exports.

Partnerschaft statt unfaire Handelspraktiken durch langfristige Zusammenarbeit, Verlässlichkeit und Vertrauen

Im konventionellen Handel besteht zwischen den Akteuren in der Lieferkette in der Regel ein großes Macht- und Verhandlungsungleichgewicht, das vor allem große Unternehmen ausnutzen. Sie zwingen ihren Lieferanten bzw. Bauern und Bäuerinnen häufig Preis­ und Vertragskonditionen auf. Der daraus resultierende Kosten- und Preisdruck ist die Ursache für schlechte Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen. Der Faire Handel setzt dagegen auf eine verantwortungsvolle, transparente und partnerschaftliche Handelsbeziehung. Die langfristige Zusammenarbeit schafft Planungssicherheit für Produzent*innen. Die Handelsbeziehungen beruhen auf Augenhöhe und Partnerschaft. Dazu gehören unter anderem die Beratung zur gemeinsamen Produktentwicklung und die Unterstützung bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels. 

Partnerschaftlich zu handeln bedeutet auch, gemeinsam Krisenzeiten zu bewältigen und gemeinsam Lösungen zu finden. Jüngstes Beispiel sind Unterstützungsmaßnahmen vieler Fair-Handels-Organisationen für ihre Handelspartner im Zuge der COVID-19-Pandemie.

Fairer Handel im Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit

Besonders prekär ist die Lage für Frauen in ländlichen Gebieten des Globalen Südens. Obwohl sie mehr als Männer zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, haben sie oft keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Landrechten oder Krediten und kaum Mitspracherechte. Ein weiteres Ziel des Fairen Handels ist daher der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die wirtschaftliche Stärkung von Frauen. Das Verbot von Diskriminierung, die Garantie von gleicher Entlohnung, die Gewährung von Mutterschutz und Förderung gleichberechtigter Teilhabe sind wichtige Pfeiler dazu.

Fairer Handel kämpft für strukturelle politische Veränderungen

Die oben genannten Punkte sind wichtige Bausteine, um menschenwürdige Arbeit zu fördern. Als Alternative zum konventionellen Handel kann der Faire Handel so nachhaltige Perspektiven für die Produzent*innen und ihre Organisationen schaffen. Doch der Faire Handel steht einem ungerechten Weltwirtschaftssystem gegenüber, einschließlich der im konventionellen Markt üblichen unfairen Wettbewerbs- und Preispolitik. Um nachhaltige und umfassende Lösungen für einen gerechteren Welthandel und damit verbunden menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle Menschen durchzusetzen, bedarf es struktureller Veränderungen. Damit diese Prinzipien zur allgemeinen Norm werden, setzen sich die Organisationen des Fairen Handels auch auf politischer Ebene für einen Wandel ein. Von der nächsten Bundesregierung fordert die Fair-Handels-Bewegung einen fairen Aufbruch

Dazu soll die Politik:

  • existenzsichernde Löhne und Einkommen weltweit fördern
  • menschenrechtliche Sorgfalt für Unternehmen auf nationaler, EU­ und UN­Ebene wirksam  und verbindlich um- und durchsetzen
  • Handelspolitik fair gestalten
  • globale Klimagerechtigkeit herstellen
  • soziale und ökologische Kriterien zum Standard bei der öffentlichen Beschaffung machen

Dieser Beitrag ist in der Hintergrundbroschüre der Fairen Woche 2021 erschienen. Zur Veröffentlichung auf dem Blog wurde er redaktionell leicht angepasst.

Publikationen zum Thema
Faire Woche Hintergrundbroschüre
Forum Fairer Handel (2021):

Zukunft fair gestalten – Hintergrundbroschüre zur Fairen Woche 2021

Über die Faire Woche

Die Faire Woche ist die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland. In diesem Jahr findet sie vom 10. bis 24. September zum Thema "Menschenwürdige Arbeitsbedingungen" statt. Veranstalter ist das Forum Fairer Handel in Kooperation mit TransFair (Fairtrade Deutschland) und dem Weltladen-Dachverband.

Das Besondere an der Fairen Woche: Alle können mitmachen und eine eigene Aktion zum Fairen Handel anbieten oder besuchen! Machen Sie mit!

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