Business as Un-Usual

Mitte April haben wir den Report In Good Company der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Report untersucht die Ansätze und Strukturen von acht Fair-Handels- und Sozialunternehmen und zeigt auf, wie sie ihren Zweck (ihren "Purpose") in ihr Unternehmensdesign integriert haben und ihn in ihrer täglichen Arbeit leben: Business as un-usual, in Kooperation statt in Konkurrenz, mit Vorbildfunktion und Vision für ein nachhaltiges Unternehmer*innentum. Conflictfood, einhorn, El Puente, fairafric, FOLKDAYS, GEPA – The Fair Trade Company, Kaffee-Kooperative und WeltPartner sind die Pioniere des ersten In Good Company-Reports.

Jonas Lorenz, FFH-Referent für Grundsatzfragen des Fairen Handels und Projektleiter von In Good Company verrät im Interview die Hintergründe zum Projekt.

Lieber Jonas, was hat dich motiviert, den "In Good Company-Report" zu schreiben?

Im Prinzip gab es drei Gründe, die mich dazu bewegt haben, das Projekt zu starten:

Erstens: Ich arbeite beim Forum Fairer Handel seit vielen Jahren zum Thema "Zertifizierung und Kontrollsysteme im Fairen Handel". Dabei bin ich immer wieder auf das Problem gestoßen, dass die "Zertifizierungs-Brille" den Blick auf die Vorreiterunternehmen, wie z.B. GEPA, El Puente oder WeltPartner, einschränkt. Vorreiterunternehmen gehen aber oft über die Mindestanforderungen von Zertifizierungssystemen, wie etwa Fairtrade, hinaus. Um dies abzubilden, müssen wir Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen und herausfinden, welche Strukturen und Praktiken sie in ihren Unternehmen leben.

Die nachhaltige Wirtschaft fokussiert aktuell stark auf regenerative Ansätze zum Wohl unseres Planeten. Im Vergleich fristet die distributive Komponente unseres Wirtschaftens, die auf eine gerechte Verteilung von Kapital und Ressourcen zielt, ein Schattendasein. Doch für eine bessere Welt müssen beide Ansätze gemeinsam gedacht werden.

Jonas Lorenz, FFH-Referent für Grundsatzfragen des Fairen Handels

Mein zweiter Grund: Im breiten Feld der „Nachhaltigkeit“ gibt es neben den Fair-Handels-Unternehmen noch viele weitere (Sozial-)Unternehmen, die Wirtschaft anders denken und Handel als Mittel wählen, um für einen lebenswerten Planeten und für eine gerechte Verteilung entlang globaler Lieferketten zu kämpfen. Die Ansätze mögen vielleicht anders heißen und die Mittel sich gelegentlich unterscheiden, aber die Ziele sind die Gleichen. Doch leider begreifen sich diese Unternehmen nicht unbedingt als natürliche Alliierte und arbeiten gemeinsam. Das möchte ich ändern!

Und schließlich: Die nachhaltige Wirtschaft fokussiert aktuell stark auf regenerative Ansätze zum Wohl unseres Planeten. Im Vergleich fristet die distributive Komponente unseres Wirtschaftens, die auf eine gerechte Verteilung von Kapital und Ressourcen zielt, ein Schattendasein. Doch für eine bessere Welt müssen beide Ansätze gemeinsam gedacht werden. Der In Good Company-Report fokussiert deshalb auf Lösungen für eine gerechte Verteilung entlang globaler Lieferketten und möchte innovative und erprobte Lösungen ins Zentrum des Diskurses rücken.

Der Report möchte die Vielfalt der Lösungsansätze und die Gemeinsamkeiten zwischen den Unternehmen darstellen. Wir möchten inspirieren und vernetzen. Wir möchten zeigen, dass „Business as Un-usual“ nicht nur möglich, sondern bereits Realität ist.

Jonas Lorenz, FFH-Referent für Grundsatzfragen des Fairen Handels

Was wolltet ihr mit dem In Good Company-Report erreichen?

Der In Good Company-Report begegnet den oben beschriebenen Herausforderungen auf eine neue Art. Er untersucht Fair-Handels- und Sozialunternehmen, die in globalen Lieferketten handeln und als Zielsetzung eine Mission verfolgen, die Ressourcen und Chancen gerechter verteilen möchte. Es geht also darum Unternehmen zu untersuchen, die dieses Ziel als Zweck ihres gesamten Unternehmens begreifen und sie mit all ihrer Energie und Kreativität verfolgen.

In dem Report geht es aber nicht darum, Unternehmen und ihre Aktivitäten anhand eines vorgefertigten Rasters zu bewerten. Vielmehr möchte der Report die Vielfalt der Lösungsansätze und die Gemeinsamkeiten zwischen den Unternehmen darstellen. Wir möchten inspirieren und vernetzen. Wir möchten zeigen, dass „Business as Un-usual“ nicht nur möglich, sondern bereits Realität ist.

Was sind für dich die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Report?

Die untersuchten Unternehmen teilen gemeinsame Werte und Prinzipien, an denen sie ihre Arbeit ausrichten, das konnten wir deutlich aufzeigen. Für sie steht das Wohlergehen ihrer Partner*innen im Mittelpunkt ihres Wirtschaftens und daraus ergeben sich viele Gemeinsamkeiten. So werden Partnerschaften beispielsweise langfristig und überwiegend direkt gepflegt und auch in Krisen aufrechterhalten. Auch erwirtschaftete Gewinne werden nicht etwa an die Eigentümer*innen ausbezahlt, sondern in Unternehmen und Mission reinvestiert.

All dies ermöglicht es den Unternehmen, passgenaue Strategien gemeinsam mit den Partner*innen zu entwickeln. Und hier liegt der zweite spannende Punkt: Wie es gelingen kann, gemeinsam mit individuellen Partnerorganisationen und -unternehmen,  beispielweise thailändischen Latexproduzent*innen, Kaffeebäuerinnen aus Ruanda oder Kunsthandwerker*innen aus Nairobi, eine Beziehung und ein Produkt zu schaffen, das Wertschöpfung kreiert und fair verteilt, ist sehr unterschiedlich. Hier gibt es keinen Königsweg, sondern es bedarf Überzeugung und Kreativität, um die richtige Lösung zu finden. Der Report bietet hier hoffentlich einen Baukasten, der Interessierten und Gründer*innen gute Beispiele vermitteln und sie inspirieren kann.

Welche spannenden Beispiele aus der Unternehmenspraxis gibt es denn im Report?

Wir haben für jedes Unternehmen ein „Wow“ herausgearbeitet, also einen Aspekt, der sie besonders macht. Unter all den tollen Beispielen möchte ich zwei herausgreifen, um deutlich zu machen, was die untersuchten Unternehmen so anders macht als herkömmliche Unternehmen:

Bei El Puente sind die Stakeholder auch Shareholder. Das bedeutet, dass das Unternehmen zu gleichen Teilen den Arbeitnehmenden, Produzent*innen, Kund*innen und Gründer*innen gehört. Das bedeutet in der Praxis, dass Produzent*innen ein direktes Mitspracherecht besitzen.

Conflictfood legt den Fokus auf Handel mit Produkten aus Krisenregionen und arbeitet (meist) mit Produzent*innengruppen, die zuvor keinen Marktzugang hatten. Als erstes Unternehmen vor Ort zu sein und Pionierarbeit zu leisten, erfordert von Conflictfood viel Geduld, persönliche Risikobereitschaft der Gründer, Idealismus und Sensibilität beim Aufbau von persönlichen Beziehungen und Exportlieferketten.

Die beiden Beispiele sollen zeigen: Die Unternehmen denken Wirtschaft anders und haben dies tief in die DNA ihrer Unternehmen eingeflochten.

Für die Transformation der Wirtschaft müssen wir alle zusammenarbeiten – und hier gilt: Kooperation statt Konkurrenz!

Jonas Lorenz, FFH-Referent für Grundsatzfragen des Fairen Handels

Wie soll es denn mit In Good Company  weitergehen?

Der In Good Company-Report 2023 war für uns ein Pilotprojekt, das wir unbedingt fortführen möchten. Auch in diesem Jahr werden wir wieder an einem Report arbeiten, um weitere tolle Unternehmen zu untersuchen. Zudem möchten wir das Projekt gern ausweiten. Wie genau, ist noch in Arbeit. Toll wären beispielsweise tiefergehende Publikationen zu einzelnen Kernthemen oder auch der Aufbau eines Netzwerkes von Vorreiterunternehmen. Denn für die Transformation der Wirtschaft müssen wir alle zusammenarbeiten – und hier gilt: Kooperation statt Konkurrenz!

Publikationen zum Thema
Forum Fairer Handel (2023):

In Good Company-Report 2023

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