Mächtig unfair: Gegen Dumpingpreise für Kleinproduzent*innen!

Mächtig unfair

Bild: Weltladen-Dachverband

Maja Volland und Anna Hirt
Autor
Maja Volland (Forum Fairer Handel) und Anna Hirt (Weltladen-Dachverband)

Wir brauchen ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten

Der Weltladen-Dachverband und das Forum Fairer Handel nehmen den diesjährigen Weltladentag am 14. Mai, welcher gleichzeitig auch der internationale Tag des Fairen Handels ist, zum Anlass, um auf die unfairen Preisen aufmerksam zu machen, welche Produzent*innen an den Anfängen vieler globaler Agrarlieferketten für ihre Produkte erhalten. In vielen dieser Lieferketten herrscht ein extremes Macht- und dadurch Verhandlungsungleichgewicht. Große Unternehmen können ihren Lieferanten niedrige Preise diktieren, welche häufig noch nicht einmal die Produktionskosten der Produzent*innen decken. Deshalb fordern wir ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten.

Dumpingpreise für Kleinproduzent*innen

Viele Erzeuger*innen erhalten für ihre Produkte sehr niedrige Preise, die häufig noch nicht einmal die Produktionskosten decken. Dies betrifft sowohl Kleinproduzent*innen im Globalen Süden wie auch Erzeuger*innen in Deutschland. In verschiedenen Studien wurden bspw. die Produktionskosten für Kaffee in einigen Ländern Lateinamerikas berechnet, mit dem Ergebnis, dass bei den durchschnittlichen Marktpreisen für handelsüblichen Kaffee in den letzten 30 Jahren der Kaffeeanbau für Kleinbäuer*innen nicht rentabel war. Auch Berechnungen zu den Produktionskosten für Milch in Deutschland zeigen, dass diese über dem Preis liegen, welche Milcherzeuger*innen für ihre Milch erhalten.

Dies ist kein Einzelfall, wie eine Umfrage der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verdeutlicht: Darin gaben knapp die Hälfte der befragten Zulieferer an, Aufträge unterhalb der Produktionskosten anzunehmen, da der Preis eines der wichtigsten Kriterien für die Abnahme von einkaufenden Unternehmen und der Preisdruck enorm hoch sei. Dieselbe Umfrage ergab, dass 75 % der einkaufenden Unternehmen nicht bereit waren, ihre Preise anzupassen und mehr zu zahlen, wenn es in dem abnehmenden Land eine gesetzliche Erhöhung der Mindestlöhne gab.

Extreme Machtungleichgewichte und Preiskämpfe im Agrar- und Lebensmittelmarkt

Viele Erzeuger*innen können in Preisverhandlungen keine besseren Preise für ihre Produkte aushandeln, nicht einmal wenn sie zu niedrig sind, um ihre Produktionskosten zu decken. Sie sehen sich mit einem extremen Machtungleichgewicht konfrontiert, aus dem ein Verhandlungsungleichgewicht resultiert. Immer weniger und immer größere multinationale Konzerne kontrollieren die Märkte über alle Lieferketten hinweg. Im Kaffeesektor etwa erzielten in Deutschland im Jahr 2017 die acht größten Konzerne 75 % des Umsatzes mit Kaffee, der Zuhause konsumiert wurde. Auf globaler Ebene dominierten 2013 die fünf größten Händler fast 40 % des weltweiten Rohkaffeehandels. Ihnen gegenüber stehen rund 25 Millionen Kaffeeproduzent*innen in mehr als 80 Ländern, die mehrheitlich kleine Kaffeefarmen von weniger als 5 Hektar Land bewirtschaften.

In vielen Ländern beherrschen eine Handvoll Supermärkte den Lebensmitteleinzelhandel. In Deutschland decken allein die vier Einzelhandelsunternehmen Aldi, die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland, Edeka und Rewe ca. 85 % des Lebensmittelmarktes ab. Durch diese hohe Konzentration ist der Lebensmitteleinzelhandel zu einer Art "Gatekeeper" (Türsteher) geworden, der bestimmt, welche Lieferanten ihre Produkte in den Supermärkten verkaufen und den Kund*innen angeboten werden.

Die Unternehmen sind zunehmend der Logik des Finanzmarktes und der Profitmaximierung zugunsten ihrer Aktionär*innen unterworfen und stehen im harten Preiskampf untereinander. Die ungleichen Machtverhältnisse in den Lieferketten führen dazu, dass Unternehmen diesen Kostendruck nach unten abgeben. Aufgrund ihrer Verhandlungsmacht können sie ihren Lieferanten häufig Vertragskonditionen zu ihren Gunsten aufzwingen, ohne dass diese sich dagegen zur Wehr setzen können.

Extrem ungleiche Verteilung der Wertschöpfung

Die ungleiche Machtverteilung drückt sich auch in einer extrem ungleichen Verteilung der Wertschöpfung in den Lieferketten aus. Der Anteil der Erzeuger*innen an der Wertschöpfung der Lebensmittel ist stetig geschrumpft. Global ist der Anteil der landwirtschaftlichen Erzeuger*innen an den Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel zwischen 1995 und 2011 gesunken, während die Supermarktketten ihren Anteil auf 30 % erhöhen konnten. Im deutschen Kaffeesektor ist der Umsatz einiger weniger Röster und Händler von 1994 bis 2017 mit 2,11 Milliarden Euro um 139 % gewachsen, während Millionen von Kaffeebäuer*innen am Anfang der Lieferkette Umsatzeinbußen von 128 Millionen Euro (-10 %) hinnehmen mussten.

Drastische Folgen von nicht kostendeckenden Preisen

Die niedrigen Preise bedeuten für viele Kleinproduzent*innen im Globalen Süden ein Leben in Armut. Durch die nicht kostendeckenden Preise ist ihr Einkommen zu niedrig, um ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen. Zudem können sie ihren angestellten Arbeiter*innen häufig keinen existenzsichernden Lohn zahlen und sie haben kein Geld für Schutzkleidung und andere Materialien für gute Arbeitsbedingungen. In einigen Sektoren kommt es vermehrt zu ausbeuterischer Kinderarbeit – etwa im Kakao-Sektor – da das Geld nicht für erwachsene Angestellte ausreicht. In Deutschland sehen sich viele Erzeuger*innen gezwungen, ihre Höfe zu schließen.

Verbot des Einkaufs unter Produktionskosten in Spanien

Um diesen unfairen Preisen entgegenzuwirken, braucht es ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten. Die spanische Regierung hat ein solches Verbot bereits 2020 in den meisten Agrarlieferketten erlassen. Das Gesetz legt fest, dass der vertraglich festgelegte Preis zwischen Produzent*innen und direktem Abnehmer ausdrücklich die effektiven Produktionskosten decken muss. Damit wird der Preis eines Produktes vom Anfang der Lieferkette aufgebaut und nicht – wie derzeit häufig der Fall – von mächtigen Unternehmen am Ende der Lieferkette bestimmt. Gleichzeitig sollen in Spanien, wie dies auch schon in Frankreich geschieht, Informationen über Margen in den Lebensmittellieferketten erhoben werden. Dies ist wichtig, um mehr Transparenz bei der Zusammensetzung der Preise und der Verteilung der Gewinne zu erhalten.

Unsere Forderungen an die Bundesregierung

Die Bundesregierung muss dem spanischen Vorbild schnellstmöglich folgen und auch in Deutschland ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten erlassen. Denn freiwillig werden Unternehmen ihren Lieferanten keine besseren Preise zahlen. Es braucht klare Vorschriften für alle Unternehmen, um dem harten Preiskampf und den ungleichen Macht- und Verhandlungsgleichgewichten etwas entgegenzusetzen.

Das Gute: Sowohl in einem im Mai 2021 vom deutschen Bundestag beschlossenen Verbot von unfairen Handelspraktiken als auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist eine Prüfung eines Verbotes unterhalb der Produktionskosten vorgesehen. Die Bundesregierung muss diese Prüfung nun schnellstmöglich durchführen und ein solches Verbot wirksam umsetzen. Dabei ist es wichtig, dass das Verbot auch für Lieferanten aus Nicht-EU-Ländern gilt. Zudem muss es so ausgestaltet sein, dass die zu deckenden Produktionskosten die Zahlung von existenzsichernden Löhnen für angestellte Arbeiter*innen umfassen sowie Erzeuger*innen den Verdienst eines existenzsichernden Einkommens ermöglichen. Falls durch die höheren Preise für Produzent*innen die Verbraucher*innenpreise steigen, müssen auch in Deutschland einkommenssteigernde Maßnahmen ergriffen werden, damit die Einkommen auch hier existenzsichernd sind bzw. werden. Mit Blick auf die Milliardengewinne, welche der Lebensmitteleinzelhandel und andere Unternehmen im letzten Jahr erwirtschaftet haben, sollte politisch darauf hingewirkt werden, dass eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung entlang globaler Lieferketten nicht auf Kosten der Verbraucher*innen, oder zumindest nicht der geringverdienenden Verbraucher*innen, geschieht.

Aktionen zum Weltladentag am 14. Mai 2022

Unter dem Motto "MÄCHTIG unfair" machen die Weltläden in ganz Deutschland rund um den Weltladentag am 14. Mai auf diese ungleichen Machtverhältnisse entlang globaler Lieferketten aufmerksam. Mit kreativen Aktionen weisen sie auf die Absurdität von Dumping-Preisen unterhalb der Produktionskosten hin und fordern eine gerechtere Verteilung der Gewinne für Produzent*innen. Dazu führen sie Gespräche mit Bürger*innen, kontaktieren ihre Bundestagsabgeordneten und geben Einblick, wie die Preisgestaltung im Fairen Handel abläuft. Weitere Informationen zur Aktion und den Hintergründen gibt es auf der Website des Weltladen-Dachverbandes.

Cookies & Drittinhalte

Tracking (Matomo)
Google Maps
Videos (YouTube und Vimeo)

Detaillierte Informationen zu den einzelnen Cookies finden Sie in unserer Datenschutzerklärung

Speichern Alle akzeptieren